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Fragwürdige Statistik des ­Holzeinschlags im Wald

Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. Diesen Spruch kennt jeder. Weniger bekannt ist die erschreckende Tatsache, dass die jährlich erhobenen Holzeinschlagmengen schon seit geraumer Zeit nur noch ein Zerrbild deutscher Waldwirklichkeit zeichnen. Denn: Es wird seit Jahren wesentlich mehr Holz aus unseren Wäldern herausgeholt, als die amtliche Statistik preisgibt.

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Von Norbert Panek

Dass dieses jetzt von der „Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher“ (AGR) erstmals öffentlich angeprangert wird, ist bezeichnend. Dieser Lobbyverein, der regelmäßig in übelster Weise gegen den Naturschutz agitiert, sieht sich jetzt wohl durch die steigende Nachfrage nach Energieholz marktpolitisch zunehmend in die Enge getrieben. Die verstärkte energetische Nutzung von Holz hat bekanntermaßen zum Teil drastischen Verzerrungen im Holz-Preisgefüge geführt. Mittlerweile würden nach Angaben der AGR sogar stammholzfähige Sortimente als Brennholz vermarktet. Die tatsächlich noch zur Verfügung stehenden Holzpotenziale seien weitgehend ausgereizt. Nach Angaben der AGR lagen im Zeitraum 2002 – 2008 die jährlichen Einschlagmengen beispielsweise bei Buchenholz im Schnitt um 39 % über den Angaben des Statistischen Bundesamtes.

Seit Jahren wird, was die Nutzung deutscher Wälder und diesbezügliche Prognosen angeht, offensichtlich mit verfälschendem Zahlenmaterial gearbeitet. Das Schlimme ist: Bereits im Jahr 2005 hat eine Studie der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft nachgewiesen, dass die Zahlen der amtlichen Holzeinschlag-Statistik nicht mehr der Realität entsprechen; die Forschungsinstitution hatte deshalb eine Revision der Erhebungsmethode eingefordert. Von Seiten der Politik ist seitdem offensichtlich nichts geschehen, um die Mängel abzustellen.

Seit Jahren wird uns erzählt, dass die Nutzung unserer Wälder nachhaltig ist, d.h. es wird nur maximal so viel Holz geerntet, wie im gleichen Zeitraum wieder nachwächst. In der Regel läge die Holzentnahme sogar weit unter dem Zuwachs. Untersuchungsergebnisse der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (Institut für Ökonomie) belegen nun, dass die bisherigen statistisch ermittelten Holzeinschlagmengen falsch bzw. insgesamt deutlich zu niedrig angesetzt sind. Demzufolge ist eine genaue Prüfung der „Massennachhaltigkeit“ in der Waldnutzung seit längerem nicht gewährleistet.

Bisherige Berechnungen führten zu verfälschenden Aussagen. Außerdem sind bei der Herleitung der Netto-Kohlenstoff-Senkenwirkung von Wäldern beträchtliche Fehlerquoten zu unterstellen. Entsprechende Berechnungen, die auch in internationale Berichtssysteme einfließen, präsentieren ein Zerrbild vom deutschen Wald.

Die Diskrepanz zwischen der amtlichen Einschlagstatistik und den Holzmengen, die tatsächlich aus unseren Wäldern jährlich entnommen werden, ist erschreckend groß. Nach Auswertung der Daten zurückliegender Bundeswaldinventuren (BWI) durch die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH) betrug die jährliche Holznutzungsmenge in den alten Bundesländern durchschnittlich 49,7 Mio. m³. Der im gleichen Zeitraum amtlich ermittelte Holzeinschlag lag bei 34,1 Mio. m³ (Dieter & Englert 2005). Anderweitige Vergleichsuntersuchungen bestätigten annähernd diese Abweichungen (Mantau 2004).

Weitere Untersuchungen der BFH ergaben für den genannten Zeitraum, dass die BWI-abgeleiteten Nutzungsmengen in den einzelnen Baum­artengruppen ebenfalls deutlich über den amtlichen Holzeinschlagzahlen lagen. Im Mittel lag die Abweichung bei allen Baumartengruppen bei +46 % Prozent, bei der Baum­artengruppe „Buche“ sogar bei +56 %!

Die Zahlen offenbaren eklatante Mängel in der Erhebungsmethode. So werden scheinbar Großteile des Holzeinschlags vor allem im Privatwald nicht oder nur sehr unzureichend durch die amtliche Statistik erfasst. Obwohl die BFH-Studie seit 2005 vorliegt und das Problem in einschlägigen Forstkreisen seit Jahren bekannt ist, wurde bislang offensichtlich nichts unternommen, um den geschilderten Missstand zu beheben. Nach aktuellen Berechnungen der „Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbaucher“ lag der tatsächliche, von Verwenderseite ermittelte Holzeinschlag (73 Mio. Erntefestmeter) auch im Jahr 2011 wiederum um etwa 30 % über der vom Statistischen Landesamt angegebenen Menge (56 Mio. Erntefestmeter).

Angesichts der beträchtlichen Fehlerquoten, die die offizielle Holzeinschlagsmengen-Statistik aufweist, ist zu hinterfragen, ob die von forstpolitischer Seite immer wieder propagierten Nutzungsszenarien noch haltbar sind. Dass die Holznutzung im deutschen Wald längst über die Grenzen der Nachhaltigkeit geht, ist aufgrund statistischer Erfassungsmängel nicht nur zu vermuten, sondern auch am aktuellen Erscheinungsbild unserer Wälder ablesbar. Weiterhin werden derzeit z.B. ohne Rücksicht auf ökologische Verluste alte Buchenbestände „geräumt“ (wie es im Fachjargon heißt). Gerade die Holznutzungsmengen in Buchenwäldern wurden jahrelang zum Teil massiv unterschätzt. Nach Recherchen der AGR lagen die Einschlagmengen in der Baum­artengruppe „Buche“ im Jahr 2011 nicht, wie offiziell deklariert, bei 12,2 Mio. Erntefestmeter, sondern bei knapp 20 Mio. Erntefestmeter!

Eine nationale Forst- und Holzpolitik, die auf nicht verlässlichen, widersprüchlichen Zahlen beruht bzw. wissentlich mit solchen Zahlen operiert, täuscht die Öffentlichkeit und hat damit ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Literatur

AGR (Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher, Hrsg., 2012): AGR bezweifelt amtliche Holzeinschlagstatistik und hält Biomassepotenziale für überschätzt. Pressemitt. vom 22.05.2012, http://www.rohholzverbraucher.de.

Dieter, M., Englert, H. (2005): Gegenüberstellung und forstpolitische Diskussion unterschiedlicher Holzeinschlagschätzungen für die Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsber. Institut f. Ökonomie, Bundesforschungsanstalt f. Forst- u. Holzwirtschaft, Hamburg.

Mantau, U, (2004): Holzrohstoffbilanz für Deutschland – Holzrohstoffaufkommen und dessen Verwendung im Jahr 2002. Holz-Zentralblatt 130 (76), 1026-1028.

Anschrift des Verfassers: Norbert Panek, Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder, An der Steinfurt 13, D-34497 Korbach, E-Mail norbertpanek@gmx.de, Internet http://www.wald-kaputt.de.

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