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Eine rechtliche Einordnung

Die Verantwortlichkeit nach dem ­Umweltschadensgesetz

Abstracts

Das Umweltschadensrecht nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG) stellt ein öffentlich-rechtliches, ordnungsrechtliches Instrumentarium im Kontext des Umweltrechts dar. Es statuiert eine grundsätzlich verschuldensunabhängige Haftung des Verantwortlichen, nicht nur drohende Umweltschäden zu vermeiden, sondern insbesondere auch eingetretene Umweltschäden zu sanieren.

Die Verantwortlichkeit ist prinzipiell weit ausgestaltet und kann sowohl natürliche als auch juristische Personen treffen. Gerade die Weite des Begriffs wirft insbesondere in Konstellationen, in denen Unternehmen und deren Mitarbeiter oder aber Dritte, wie etwa Planungsbüros, involviert sind, diverse rechtliche und tatsächliche Problemstellungen im Hinblick auf die Beurteilung und Zuordnung der Verantwortlichkeit der Beteiligten auf, zumal eine Verantwortlichkeit jener Akteure nicht generell ausgeschlossen werden kann.

Letztlich muss aus diesen Gründen stets eine eingehende und konkrete Bewertung dessen im Zuge der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles erfolgen.

Responsibility according to the Environmental Damage Prevention and Remediation Act – A legal classification

The German Environmental Damage Prevention and Remediation Act (USchadG) constitutes an instrument under public, regulative law in the context of provisions on environmental law. It introduces an accountability of the polluter – generally regardless of negligence or fault – not only to prevent imminent environmental damages, but also to take remedial measures in the case of environmental damages. Generally, an extensive accountability concerning natural persons as well as legal persons has been established. It is this extensiveness of the term of accountability which evokes multiple actual and legal problems in regard to the assessment and classification of the accountability of involved parties especially in cases, in which organizations and their employees or third parties – as for instance planning offices – are involved, as an accountability of the mentioned parties cannot be generally eliminated. Ultimately, a thorough and specific assessment regarding this problem must be conducted within the evaluation of the particular case.

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Abb. 1: Wird eine Art wie der Kiebitz (Vanellus vanellus), geschützt nach Art. 4 (2) der EU-Vogelschutzricht­linie, durch berufliche Tätigkeit geschädigt, so kann ein Biodiversitätsschaden vorliegen – ebenso wie im Falle von Arten des Anhangs I VSRL und II, IV FFH-Richtlinie oder Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-Richtlinie.  © A. Wedel/pixelio.deIf a species such as the Northern Lapwing (Vanellus vanellus), protected according to Art. 4 (2) of the EU Birds Directive, will be damaged by economic activities this might cause a damage of biodiversity – similar to species of Annex I of the Birds Directive and Annex II of the Habitats Directive or Annex I habitat types.
Abb. 1: Wird eine Art wie der Kiebitz (Vanellus vanellus), geschützt nach Art. 4 (2) der EU-Vogelschutzricht­linie, durch berufliche Tätigkeit geschädigt, so kann ein Biodiversitätsschaden vorliegen – ebenso wie im Falle von Arten des Anhangs I VSRL und II, IV FFH-Richtlinie oder Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-Richtlinie. © A. Wedel/pixelio.deIf a species such as the Northern Lapwing (Vanellus vanellus), protected according to Art. 4 (2) of the EU Birds Directive, will be damaged by economic activities this might cause a damage of biodiversity – similar to species of Annex I of the Birds Directive and Annex II of the Habitats Directive or Annex I habitat types.
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1 Problemaufriss

Das in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2007 in Kraft getretene Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz; USchadG) dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (UH-RL). Trotz der insgesamt mehrjährigen Geschichte der Haftung nach dem Umweltschadensrecht führte dieses – nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland – ein in der Praxis eher weniger beachtetes Dasein und gelangte im Verhältnis in nur wenigen Fällen zur Anwendung (vgl. Milieu Ltd., IUCN 2014: 78ff., bezüglich der Behandlung von Biodiversitätsschäden in der EU, wonach es unter anderem der weiteren Harmonisierung und einer Bewusstseinssteigerung bedürfe; Brinktrine 2012: 2ff.).

In den letzten Jahren ließ sich allerdings eine sich steigernde Tendenz hinsichtlich der Fallzahlen erkennen, gerade im Kontext von Biodiversitätsschäden. Es hat bereits erste gerichtliche Verfahren gegeben, die umweltschadensrechtliche Fragestellungen zum Gegenstand hatten. Zu nennen sei an dieser Stelle etwa der im Frühjahr 2015 ergangene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 2015, Az. 8 CE 15.398 (vorgehend VG München, Beschl. v. 28.01.2015, Az. M9E 14.5005), dem ein Antrag einer anerkannten Naturschutzvereinigung im einstwei­ligen Rechtsschutzverfahren zugrunde lag, wonach im Zuge des Baus einer Bundesfernstraße die Vereinigung bestimmte Sanierungsmaßnahmen verfolgte und verlangte. Das Gericht verneinte die Anwendbarkeit des Umweltschadensrechts u.a. mit dem Argument, es fehle an einer „Tätigkeit“ im Sinne der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 USchadG. Zudem handele es sich bei dem Bau einer Bundesfernstraße grundsätzlich nicht um eine „berufliche“ Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 USchadG (weitere gerichtliche Entscheidungen s. Textkasten).

Die denkbaren Fallkonstellationen sind vielfältig, wie die Beispiele aus der Rechtsprechung verdeutlichen. In der Praxis sind allerdings noch immer Unklarheiten hinsichtlich der rechtlichen Kategorisierung der Regelungen des USchadG, dessen Regelungsgegenstands und dessen Zielsetzung festzustellen. Der folgende Beitrag dient daher der rechtlichen Einordnung des USchadG sowie der Darstellung seines wesentlichen Regelungsgehalts insbesondere hinsichtlich der Frage, wie die Verantwortlichkeit im Zuge der umweltschadensrechtlichen Regelungen ausgestaltet wurde bzw. wen diese treffen kann.

2 Rechtliche Einordnung bzw. Charakterisierung der „Haftung“

Der Begriff der „(Umwelt-)Haftung“ begegnet dem Rechtsanwender in mannigfaltigen Zusammenhängen, handelt es sich dabei doch um einen Begriff, der sowohl im Kontext zivilrechtlicher, aber auch strafrechtlicher sowie öffentlich-rechtlicher Normanwendung Verwendung findet (hierzu instruktiv Knopp 2009: 1ff.). Für die Beurteilung und damit letztlich auch für das Verständnis und die konkrete Anwendung der jeweiligen Norm in der Praxis muss daher die Zuordnung zu diesen jeweiligen Kreisen klar sein. Nichts Anderes gilt für das Umweltschadensrecht.

2.1 Privatrechtliche und ­strafrechtliche Normen

Privatrechtliche Normen dienen vornehmlich der Regelung der (Rechts-)Verhält­nisse und Beziehungen privat agierender Akteure zueinander und untereinander auf Grundlage der Gleichordnung und Selbstbestimmung (Sprau 2015: Rdnr. 2). Die Haftung nach zivilrechtlichen Grundsätzen setzt in der Regel die Verletzung eines konkreten Individualrechts voraus (Knopp & Piroch 2013: 25). Beschädigt beispielsweise eine privat agierende Person das Privateigentum einer anderen, kann Letztere gegenüber dem Schädiger den Ersatz des aus der Eigentumsverletzung resultierenden Schadens geltend machen. Als Beispiel im umweltrechtlichen Bezugsrahmen sei auf die privatrechtliche Schadensersatzvorschrift (Reiff 2011: Rdnr. 1) des § 89 Abs.1 WHG hingewiesen.

Der Begriff der Haftung findet auch im Kontext des Strafrechts Anwendung. Dieses Rechtsgebiet umfasst diejenigen Rechtsvorschriften, die die Voraussetzungen oder Folgen eines mit Strafe bedrohten Verhaltens regeln (Roxin 2006: Rdnr. 1). Eine Verletzung von Rechtsvorschriften wird mithin mit Strafe oder Maßregel sanktioniert (Roxin 2006: Rdnr. 2). Das Strafrecht ist mithin durch die Sanktionen definiert (Roxin 2006: Rdnr. 2). Auch das Umweltrecht im weiten Sinne kennt diverse strafrechtliche Tatbestände. Zu nennen seien beispielsweise die Vorschriften der § § 71, 71a BNatSchG.

2.2 Öffentlich-rechtlicher Ansatz des Umweltschadensrechts

Das Umweltschadensrecht nach dem USchadG ist allerdings weder dem zivilrechtlichen noch dem strafrechtlichen Haftungsregime zuzuordnen. Das USchadG sowie die diesem zugrundeliegende UH-RL verfolgen vielmehr einen öffentlich-rechtlichen (Gassner & Schemel 2012: 25, Kiess & Bernotat 2008: 9, Peters et. al. 2014: 2), ordnungsrechtlichen (Beckmann & Wittmann 2014: Vorbem., Rdnr. 4; Lau 2009: 589) Ansatz („Polizeipflicht“, vgl. BT-Drucks. 16/3806: 20). Kennzeichnend für solche öffentlich-rechtlichen Instrumentarien im Sinne der Gefahrenabwehr ist – im Gegensatz etwa zu zivilrechtlichen Normen – die Verfolgung von Gemeinwohlinteressen (Knopp & Piroch 2013: 25; vgl. auch Gassner & Schemel 2012: 25). Im Zuge öffentlich-rechtlicher Umweltinstrumentarien geht es mithin vornehmlich um die Vermeidung, Abwehr und Beseitigung von Gefahren für die Umwelt (Knopp 2009: 1 (7)). Dem jeweiligen Verantwortlichen für diesen Umstand auf der einen Seite steht die jeweils zuständige Umweltbehörde auf der anderen Seite gegenüber (Knopp 2009: 1 (7)).

Geregelt wird dementsprechend auf der primären Ebene die grundsätzlich verschuldensunabhängige (Gefährdungshaftung (Cosack & Enders 2008: 405 (411); Roller et. al. 2014: 13), öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verursachers, drohende Umweltschäden zu vermeiden und eingetretene Schäden zu sanieren (Gellermann 2010: Rdnr. 2, Kiess & Bernotat 2008: 9, Peters et. al. 2014: 2, Petersen 2013: Einl., Rdnr. 1). Auf der sekundären Ebene erfolgen entsprechende Kostenzuordnungen (Wagner 2008: 565 (572ff.)). Es geht also weder darum, den aufgrund eines die Umwelt schädigenden Handels eingetretenen Schaden an Individualrechten eines Dritten zu kompensieren, noch um eine Sanktion für solches Verhalten. Vielmehr ist das Regime des Umweltschadensrechts darauf gerichtet, einerseits „bloße“ Gefahren für die Umwelt selbst zu verhindern und zu beseitigen, darüber hinaus aber auch den durch eine tatbestandliche Handlung bereits hervorgerufenen Verlust der entsprechenden Ressourcen und Funktion wiederherzustellen (Kiess & Bernotat 2008: 9). Während andere öffentlich-rechtliche Handlungsinstrumentarien vornehmlich auf die Unterschutzstellung und Erhaltung umweltrechtlicher Schutzgüter gerichtet sind, statuiert die Umwelthaftung auf Grundlage der UH-RL eine unmittel­bare Verantwortlichkeit für die Heilung des herbeigeführten Zustands. Im Zuge der für die Europäische Kommission durchgeführte Untersuchung „Experience gained in the application of ELD biodiversity damage“ (Februar 2014) wurde die grundlegende Konzeption der europäischen Umwelthaftung in Bezug auf das Schutzgut Biodiversität wie folgt prägnant umrissen:

„It is therefore clear that the ELD aims at establishing a framework for the prevention and remedying of environmental damage through a liability regime based on the ‘polluter-pays principle’ in order to ensure that biodiversity is restored or maintained at Favourable Conservation Status and, thus, halting biodiversity loss in the EU.” (Milieu Ltd., IUCN 2014: 3).

3 Regelungsgegenstand des USchadG; Pflichten und deren Adressaten

3.1 Regelungsgegenstand des USchadG

Was Umweltschäden (ausführlich zum Begriff des „Umweltschadens“ Petersen 2013: § 2, Rdnr. 10) im Sinne des Gesetzes sind, wird in § 2 Nr. 1 USchadG legaldefiniert als

1. eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 BNatSchG (Biodiversitäts­schäden),

2. eine Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 WHG, oder

3. eine Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinne des § 2 Abs. 2 BBodSchG, die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht.

Die verschuldensunabhängigen Regelungen des Umweltschadensgesetzes (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.07.2015, Az. 8A 10041/15, Rdnr. 75 (zitiert nach juris)) greifen jedoch grundsätzlich nur für solche beruflichen Tätigkeiten, welche in der Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz (abschließend) aufgeführt sind, § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG (Beckmann & Wittmann 2014: § 3, Rdnr. 3; Cosack & Enders 2008: 405 (411); Petersen 2013: § 3, Rdnr. 2). Lediglich im Hinblick auf Biodiversitätsschäden können auch andere – allerdings wiederum nur berufliche – Tätigkeiten haftungsauslösend wirken, sofern Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit in Bezug auf das Handeln vorliegt (Cosack & Enders 2008: 405 (4011); vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 17.04.2015, Az. 8 CE 15.398, Rdnr. 23ff. (zitiert nach juris)).

3.2 Pflichten und Verantwortlichkeit nach dem USchadG

3.2.1 Vorbemerkungen

Ausgehend von der Haftung nach dem Verursacherprinzip (Gellermann 2010: Rdnr. 2) statuiert das Umweltschadensgesetz diverse und weitgehende Informations-, Gefahrenabwehr- und Sanierungsverpflichtungen, die schon von Gesetzes wegen unmittelbar gelten und von Seiten der zuständigen Behörde nicht nur überwacht, sondern auch im Wege hoheitlicher Anordnungen durchgesetzt werden können (Petersen 2013: Einl., Rdnr. 8). Das insoweit Innovative an dem umweltschadensrechtlichen Szenario – insbesondere, aber nicht nur, soweit Biodiversitätsschäden Gegenstand der Betrachtung sind – ist auf der Ebene der Rechtsfolgen zu erblicken. Zwar stehen der zuständigen Behörde entsprechende Überwachungspflichten bzw. Durchsetzungsbefugnisse zu. Die sich aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtungen bedürfen jedoch grundsätzlich keines behördlichen Durchsetzungsaktes, sondern treten von Gesetzes wegen ein (Lau 2009: 589 (594), Petersen 2013: § 1, Rdnr. 20; vgl. ausführlich die Bedeutung dieses Umstandes für die Frage der Subsidiarität des Umweltschadensgesetzes Peters et. al. 2015: 4ff.). Sie unterscheiden sich damit beispielsweise von den auf Grundlage des „normalen“ Naturschutzrechts möglichen Wiederherstellungsverpflichtungen, welche in der Regel einer behördlichen Anordnung bedürfen (Beckmann & Wittmann 2014: § 1, Rdnr. 11). Verursacht mithin jemand durch eine berufliche Tätigkeit im Sinne des USchadG eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens, trifft ihn unmittelbar aus dem Gesetz die Verpflichtung, unverzüglich die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl. § 5 USchadG), damit der Schaden nicht eintritt. Dies muss nicht erst durch eine Behörde, der allerdings entsprechende Befugnisse zukommen, explizit angeordnet werden.

3.2.2 Verpflichtungen nach dem USchadG; behördliche Befugnisse

Verpflichtungen nach dem USchadG

Die wesentlichen Verpflichtungen nach dem USchadG werden in den § § 4 bis 6 USchadG normiert. § 4 USchadG statuiert eine Informationspflicht des Verantwortlichen, die Behörde über alle bedeutsamen Aspekte des Sachverhalts zu informieren, sofern eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens besteht bzw. sofern ein Umweltschaden bereits eingetreten ist. Im Falle einer solchen unmittelbaren Gefahr ist der Verantwortliche verpflichtet, unverzüglich die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 5 USchadG). Ist ein Umweltschaden hingegen bereits eingetreten, hat der Verantwortliche zum einen die erforderlichen Schadensbegrenzungsmaßnahmen zu unternehmen und zum anderen die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 6). Wie Letztere zu bestimmen sind, wird in § 8 USchadG normiert.

Pflichten und Befugnisse der Behörde; Durchsetzung

Zu den Verpflichtungen der Verantwort­lichen korrelieren behördliche Pflichten und Befugnisse. Diese werden in § 7 USchadG näher beschrieben. Gemäß § 7 Abs. 1 USchadG überwacht die zuständige Behörde, dass die erforderlichen Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen vom Verantwortlichen ergriffen werden. Sie kann nach § 7 Abs. 2 USchadG dem Verantwortlichen entsprechend aufgeben, alle erforderlichen Informationen und Daten über eine unmittelbare Gefahr von Umweltschäden, über den Verdacht einer solchen unmittelbaren Gefahr oder einen eingetretenen Schaden sowie eine eigene Bewertung vorzulegen, die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu treffen und die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Behörde entscheidet gemäß § 8 Abs.2 USchadG nach Maßgabe der fachrechtlichen Vorschriften über Art und Umfang der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen.

Hinzuweisen ist in diesem Kontext insbesondere auf § 10 USchadG. Demnach wird die zuständige Behörde zur Durchsetzung der Sanierungspflichten nicht nur von Amts wegen tätig, sondern auch dann, wenn ein Betroffener dies beantragt und die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. Damit steht natürlichen oder juristischen Personen grundsätzlich ein Initiativrecht zu. Sie können ein Tätigwerden der Behörde beantragen (und durchsetzen). Allerdings setzt das Antragsrecht voraus, dass diese Person durch den Umweltschaden in eigenen Rechten verletzt sein kann, wobei die Möglichkeit der Betroffenheit ausreicht (Petersen 2013: § 10, Rdnr. 15). Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffs des „Betroffenen“ und wird auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/3806: 27) entsprechend klargestellt:

„Die zuständige Behörde wird zur Durchsetzung der Sanierungspflichten nach diesem Gesetz tätig, wenn ein Betroffener oder eine Vereinigung, die nach § 11 Abs.2 USchadG Rechtsbehelfe einlegen kann, dies beantragt und der Antrag begründet ist. Wer Betroffener in diesem Sinne ist, ergibt sich aus den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen. Demnach ist solchen natürlichen und juristischen Personen, die durch den Umweltschaden in ihren Rechten oder rechtlich geschützten Interessen (möglicherweise) betroffen sind, antragsberechtigt. Der Antrag ist nur begründet, wenn die zur Begründung des Antrags von der antragsbefugten Person vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen.”

Hiervon unberührt bleibt freilich die Möglichkeit natürlicher oder juristischer Personen, die zuständigen Behörden auf mög­liche Umweltschäden aufmerksam zu machen. Wird etwa durch ein Infrastrukturvorhaben ein Vorkommen einer von § 19 Abs.2 BNatSchG erfassten Art geschädigt, können die zuständigen Behörden entsprechend in Kenntnis gesetzt werden, zumal diese ohnehin grundsätzlich von Amts wegen tätig werden und zu ermitteln haben. Ein Tätigwerden kann jedoch nur förmlich beantragt, verlangt und (gegebenenfalls gerichtlich) durchgesetzt werden, wenn dieser Umweltschaden eine mögliche, eigene Betroffenheit zur Folge hat und dies glaubhaft dargelegt worden ist.

Auch Vereinigungen, welche nach § 11 Abs.2 USchadG Rechtsbehelfe einlegen können, verfügen über ein Antragsrecht. Welche Vereinigungen dies sind, richtet sich nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Es muss sich um eine nach § 3 Abs.1 UmwRG anerkannte oder als anerkannt geltende Vereinigung handeln (Petersen 2013: § 11, Rdnr. 24). Wird der entsprechende Antrag durch die Behörde abgelehnt, besteht die Möglichkeit der Vereinigung, gegen diese Entscheidung im Wege der Klage vorzugehen (Beckmann & Wittmann 2014: § 10, Rdnr. 8). So bejahte etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits einleitend erwähnten Beschluss die Berechtigung einer solchen Vereinigung, ein Tätigwerden der zuständigen Behörde zur Durchsetzung von Sanierungspflichten zu verlangen (BayVGH, Beschl. v. 17.04.2015, Az. 8 CE 15.398, Rdnr. 17; vgl. auch OVG Saarland, Urt. v. 11.12.2014, Az. 2 A 449/13, Rdnr. 54 (zitiert jeweils nach juris)). Er verneinte allerdings das Vorliegen einer die Verpflichtungen auslösenden Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs.1 USchadG, u.a. da es sich bei der Straßenbaulast um eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge handele, die weder als wirtschaftliche Tätigkeit noch als Geschäftstätigkeit oder als Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens zu qualifizieren sei und auch kein Verschulden im Sinne des § 3 Abs.1 Nr.2 USchadG feststellbar sei (BayVGH, Beschl. v. 17.04.2015, Az. 8 CE 15.398, Rdnr. 23, 26 (zitiert nach juris)).

3.2.3 Grundsätzlich: Verantwortlicher als Adressat

Adressat der durch das Umweltschadensrecht statuierten Verpflichtungen (§ § 4ff. USchadG) ist – einzig – der „Verantwortliche“, den die Vorschriften zu den Informations-, Gefahrenabwehr- und Sanierungspflichten in Bezug nehmen. Das Gesetz selbst definiert in § 2 Nr. 3 USchadG den „Verantwortlichen“ als

„[…] jede natürliche oder juristische Person, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt, einschließlich der Inhaber einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die eine solche Tätigkeit anmeldet oder noti­fiziert, und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat.“

Der Begriff des „Verantwortlichen“ im Sinne des Umweltschadensrechts ist damit sehr weit gefasst. Das Gesetz stellt primär auf die unmittelbare Verursachung eines Umweltschadens bzw. der Gefahr eines solchen ab und kennt damit eine Zustandsverantwortlichkeit grundsätzlich nicht (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 29, Petersen 2008: 136, Petersen 2013: § 2, Rdnr. 119; Wagner 2008: 565 (568)). Vielmehr handelt es sich der Sache nach um eine Haftung des Handlungsstörers (Cosack & Enders 2008: 405 (412)). Dementsprechend ist beispielsweise der Eigentümer eines Grundstücks nicht allein aufgrund seiner entsprechenden Stellung Verantwortlicher im Sinne des Umweltschadensrechts, was allerdings eine Haftung auf Grundlage anderweitiger Instrumentarien des Polizei- und Ordnungsrechts nicht ausschließt (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 29; Cosack & Enders 2008: 405 (411 f.), Petersen 2013: § 2, Rdnr. 135 f.).

natürliche und juristische Personen

Verantwortliche können sowohl natürliche oder aber auch juristische Personen sein, soweit sie eine berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Nr.4 USchadG ausführen, mithin eine Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird, unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich und mit oder ohne Erwerbscharakter ausgeübt wird. Dementsprechend kann auch die öffentliche Verwaltung grundsätzlich verantwortlich sein, sofern und soweit die maßgebliche Tätigkeit sich unter die vorstehende Definition subsumieren ließe (Petersen 2013: § 2, Rndr. 126). Handelt eine Behörde etwa nicht fiskalisch, sondern als Genehmigungs- oder Planfeststellungsbehörde, kann eine wirtschaftliche Tätigkeit bzw. eine Geschäftstätigkeit in diesem Sinne in aller Regel nicht angenommen werden (eingehend Petersen 2013: § 2, Rndr. 140), so dass eine Verantwortlichkeit bereits aus diesem Grunde ausscheidet.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verneinte in seinem Beschluss vom 17.04.2015, Az. 8 CE 15.398 (vgl. dort Rdnr. 26 (zitiert nach juris)), eine beruf­liche Tätigkeit in diesem Sinne auch beim Bau einer Bundesfernstraße durch den Straßenbaulastträger. Bei der Straßenbaulast handele es sich um eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, die weder als wirtschaftliche Tätigkeit noch als Geschäftstätigkeit oder als Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens zu qualifizieren sei, sondern vielmehr der schlichten Hoheitsverwaltung zuzuordnen sei, die der allgemeinen Daseinsvorsorge diene. Behördliches Handeln kann allerdings eine Rolle bei der Beurteilung etwaiger Verschuldens- und Kausalitätsfragen spielen (hierzu unten unter dem Spiegelstrich „unmittelbare Verursachung“).

Den allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts folgend stellt bereits die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3806: 21) klar, dass der Polizeipflicht auch körperschaftlich organisierte Gesamthandsgemeinschaften wie die Kommanditgesellschaft oder die offene Handelsgesellschaft der Polizeipflichtigkeit – und damit auch der Verantwortlichkeit nach dem Umweltschadensrecht – unterliegen können, wobei juristische Personen polizeirechtlich für das Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter einzustehen haben (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 35).

Ausübung oder Bestimmung

Diese Tätigkeit muss „ausgeübt“ oder deren Ausübung „bestimmt“ worden sein. Es liegt allein schon aufgrund der Differenzierung im Wortlaut der Norm auf der Hand, dass unter „Ausübung“ die direkte Wahrnehmung bzw. Erledigung und Durchführung einer tatbestandlichen Tätigkeit zu verstehen ist (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 31; Petersen 2013: § 2, Rdnr. 130). Allein diese tatsächliche Ausführung ist ausreichend, um eine Verantwortlichkeitsstellung im Sinne des Gesetzes einzunehmen. Dies hat weitreichende Konsequenzen insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass das Gesetz natürliche und juristische Personen nebeneinander und nicht alternativ in Anspruch nimmt.

Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Definition kann damit die Verantwortlichkeit, neben den Unternehmen, welche eine entsprechende Anlage betreiben (Cosack & Enders 2008: S. 405 (412)), zumindest nach dem Wortlaut auch auf einen bzw. den Angestellten in einem solchen Unternehmen fallen, soweit er diejenige Handlung, die zu einem schädigenden Ereignis führte, selbst und unmittelbar ausführte (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 32; Petersen 2013: § 2, Rdnr. 130). Damit könnten auch natürliche Personen selbst im Falle, dass juristische Personen ordnungspflichtig sind, nach wie vor parallel verantwortlich sein, zumal von Seiten des deutschen Gesetzgebers von der – in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellte – Möglichkeit, eine Verantwortlichkeit desjenigen anzunehmen, der die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über die technische Durchführung einer tatbestandlichen Tätigkeit übertragen wurde (Art.2 Nr.6 UH-RL), zumindest explizit kein Gebrauch gemacht wurde. Das Gesetz selbst schränkt die Haftung der natürlichen Person auch nicht etwa dahingehend ein, dass Verantwortliche nur Unternehmen sein könnten, die Tätigkeiten im Sinne der Anlage 1 zum USchadG verfolgen, und nicht die dort arbeitenden Werktätigen (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 32). Damit sind beispielsweise solche Fälle problematisch, in denen ein in einem Unternehmen tätiger Arbeitnehmer etwa eine Maschine fehlerhaft bedient und daraus eine Schädigung der Umwelt eintritt.

Es darf dennoch bezweifelt werden, ob diese Konsequenz einerseits tatsächlich gewollt, andererseits mit der Teleologie der Gefährdungshaftung vereinbar ist (Roller et al. 2014: 21). Diejenige besondere Gefahr, die den eigentlichen Hintergrund der strengen umweltschadensrechtlichen Gefährdungshaftung rechtfertigt und dieser zugrunde liegt, geht in aller Regel von dem Betrieb bzw. Unternehmen selbst aus, welches mit der Wahrnehmung entsprechend gefahrenträchtiger Tätigkeiten betraut ist, und nicht vom einzelnen, weisungsgebundenen, dort tätigen Arbeitnehmer (Roller et al. 2014: 21). Überdies würde eine Inanspruchnahme des einzelnen Arbeitnehmers auf erhebliche Verhältnismäßigkeitsbedenken stoßen und regelmäßig an diesen scheitern, da dieser wohl kaum – weder tatsächlich noch finanziell – in der Lage sein wird, die erheblichen Konsequenzen und Kosten zu schultern (Roller et al. 2014: 21f. m. w. Nachw.).

Vor diesem Hintergrund dürfte der Auffassung, wonach in Fällen, in denen entsprechende Anlagen von Unternehmen betrieben werden, das Unternehmen nach außen hin selbst in die Verantwortung zu nehmen ist und nicht der einzelne Arbeitnehmer, der Vorzug zu geben sein (Roller et al. 2014: 21; so wohl auch Cosack & Enders 2008: 405 (412); a. A. wohl Beckmann & Witmmann 2014: § 2, Rdnr. 32). Eine endgültige Klärung dieser Problematik bedarf jedoch letztlich der höchstrichterlichen Entscheidung.

Neben dem Ausübenden nimmt die Vorschrift auch den „Bestimmenden“ in Anspruch. Hierunter lassen sich auf den ersten Blick leitende Organe bzw. Verantwortungspersonen einer juristischen Person subsumieren (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 33). Dies wird selbst in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/ 3806: 21) aufgegriffen:

„Auch wenn juristische Personen des Privatrechts ebenfalls ordnungspflichtig im Sinn des Polizei- und Ordnungsrechts sein können, steht dies im Einzelfall einer Inanspruchnahme einer für eine juristische Person verantwortlichen natürlichen Person als Störer nach allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts vorbehaltlich besonderer Regelungen nicht entgegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NuR 1994, S. 251; VGH Baden-Württemberg, DÖV 1993, S. 578, 579). Auch ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass im allgemeinen Ordnungsrecht statt auf die juristische Person des Privatrechts auf einen für die juristische Person maßgeblich Handelnden zugegriffen werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NuR 1994, S. 251). Dem steht auch nicht die Vorschrift des § 31 BGB entgegen. Es handelt sich dabei um eine Vorschrift des Zivilrechts, die eine öffentlich-rechtlich begründete Polizeipflicht nicht gegenstandslos werden lässt. Auch steht der Inanspruchnahme einer Privatperson nicht dessen Beteiligung an einer Gesellschaft grundsätzlich entgegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, DÖV 1993, S. 578, 579).“

Allerdings ist eine generelle Verantwortlichkeit dieser Akteure nicht angezeigt. Der Begriff des „Bestimmens“ ist vielmehr auch unter Berücksichtigung des Zurechnungsprinzips der unmittelbaren Verursachung (Wagner 2008: 565 (570); dazu auch noch unten beim Spiegelstrich „unmittelbare Verursachung“) enger dahingehend auszulegen, dass damit eine generelle Verantwortlichkeit der leitenden Organe nicht bezweckt war, sondern vielmehr darauf abzustellen ist, wer die eigentlichen Umstände, die zum Eintritt eines Schadens oder dessen Gefahr geführt haben, unmittelbar, entscheidend und elementar lenkte (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 33; Cosack & Enders 2008: 405 (412); Petersen 2013: § 2, Rdnr. 131).

Dem leitenden Organ muss mithin eine Befugnis zur Weisung (Beckmann & Wittmann 2013: § 2, Rdnr. 33; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.07.2015, Az. 8 A 10041/15, Rdnr. 94 (zitiert nach juris)), also eine Beteiligung – freilich nicht in Form einer eigenhändigen Ausübung (Wagner 2008: 565 (571)) – zukommen. Maßgebend ist, ob sich dieser weisende Einfluss auf die schadensherbeiführenden Tätigkeiten risikosteigernd auswirkte (Petersen 2008: 136ff. mit einem Beispiel zur Bewertung der Verantwortlichkeit in diesem Sinne im Rahmen der Konzernhaftung). Im Lichte des mit den Regelungen des Umweltschadensgesetzes verfolgten Verursacherprinzips dürften nur lockere Verbindungen zur schädigenden Tätigkeit jedenfalls nicht ausreichen (Petersen 2013: § 2, Rdnr. 132; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.07.2015, Az. 8 A 10041/15, Rdnr. 94 (zitiert nach juris)).

Genehmigungsinhaber; Notifizierer

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Gesetz in § 2 Nr. 3 USchadG klarstellt, dass zu den Verantwortlichen auch diejenigen zu zählen sein können, die entweder Inhaber einer Zulassung oder Genehmigung für eine entsprechende Tätigkeit sind oder die eine solche Tätigkeit anmelden oder notifizieren. Selbst wenn sich aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmung zunächst auf den ersten Blick relativ eindeutig ein Verantwortlicher bestimmen ließe, bedeutet dies freilich nicht, dass unter Anwendung der weiten Definition daneben nicht noch andere Verantwortliche in Betracht kommen können (Petersen (2013), § 2, Rdnr. 129).

unmittelbare Verursachung

Allgemein

Eine Verantwortlichkeit trifft nur denjenigen, dessen Handlung den Umweltschaden bzw. die Gefahr eines solchen unmittelbar verursacht hat (Diedrichsen 2007: 3377 (3380); vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/3806: 21). Letztlich handelt es sich um eine Kausalitätsregelung (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 37; Petersen 2013: § 2, Rdnr. 133). Die entsprechend zu beurteilende berufliche Handlung muss kausal für den Eintritt des Umweltschadens bzw. für die Gefahr des Eintritts desselben sein (Petersen 2008: 116). Die Gesetzesbegründung führt hierzu Folgendes aus:

„Eine Verantwortlichkeit nach dem USchadG setzt aber voraus, dass die jeweilige natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die eine berufliche Tätigkeit im Sinn des § 2 Nr.4 USchadG ausübt oder bestimmt, einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens unmittelbar (kausal) verursacht hat. Die Definition des Verantwortlichen wurde daher zur Klarstellung entsprechend erweitert, ohne dass dies zu materiellen Unterschieden gegenüber der Umwelthaftungsrichtlinie führen würde. Die Richtlinie 2004/35/EG zielt entsprechend dem Verursacherprinzip nur auf diejenigen Personen ab, die durch ihre berufliche Tätigkeit unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursachen.“ (BT-Drucks. 16/3806, dort S. 21)

Damit wird letzten Endes Bezug auf die ordnungsrechtliche Theorie der unmittelbaren Verursachung genommen, wonach als Verursacher derjenige zu qualifizieren ist, der durch sein Verhalten selbst die konkrete Gefahr unmittelbar herbeigeführt hat, dessen Verhalten mithin die Gefah­rengrenze überschreitet (Beckmann & Wittmann 2014: § 2, Rdnr. 38 mit Verweis auf HessVGH, Urt. v. 04.09.1985, Az. 5 UE 178/85, sowie OVG NRW, Urt. v. 16.03. 1993 Az. 5 A 496/93; vgl. im bodenschutzrechtlichen Kontext BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008, Az. 7 B 12/08, Rdnr. 3 (zitiert nach juris)).

Ein nur mittelbarer Beitrag reicht mithin nicht (ähnlich beispielsweise im bodenschutzrechtlichen Kontext bei der Bestimmung des Verursachers BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008, Az. 7 B 12/08, Rdnr. 3 (zitiert nach juris)). Die Wertungen des Bodenschutzrechts, das vergleichbare Fragestellungen kennt, könnten zumindest Anhaltspunkte für die Bewertung eines ursächlichen Zusammenhangs im Kontext des Umweltrechts bieten (Peters et. al. 2015: 69). Auch im Bodenschutzrecht richtet sich beispielsweise die Bestimmung des Ver­ursachers nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung (Dombert 2014: Rdnr. 21; Versteyl 2005: Rdnr. 43).

Dabei kommt es für die Bestimmung des Verursachers jeweils auf eine wertende Betrachtung an (BayVGH, Beschl. v. 23.06.2006, Az. 22 CS 04.1048, Rdnr. 18 (zitiert nach juris); ausführlich zum Begriff des Verursachers im bodenschutzrechtlichen Kontext Dombert 2014: Rdnr. 21ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte etwa im bodenschutzrechtlichen Kontext entschieden, dass nicht als Verursacher zu qualifizieren sei, wer lediglich entferntere, mittelbare Ursachen für den eingetretenen Erfolg gesetzt, mithin nur den Anlass für die unmittelbare Verursachung durch andere gegeben habe (BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008, Az. 7 B 12/08, Rdnr. 3 (zitiert nach juris); zur Problematik etwaiger Kausalitätslücken bei der Bestimmung des Verursachers nach BBodSchG BayVGH, Beschl. v. 23.06.2006, Az. 22 CS 04.1048, Rdnr. 18ff. (zitiert nach juris)).

Bei der Heranziehung entsprechender Maßstäbe aus anderen Rechtsbereichen dürfen natürlich die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie, hier des USchadG, nicht außer Acht gelassen werden (vgl. hierzu etwa kritisch zur Anwendung der Theorie der unmittelbaren Verursachung Beuck 2012: 1215 (1219ff.), u.a. unter Rekurs auf die europarechtlichen Vorgaben der UH-RL und im Hinblick darauf, dass auch der „Bestimmer“ verantwortlich sein kann). Die Gesetzesbegründung zum USchadG nennt etwa in Bezug auf bestimmtes Handeln der öffentlichen Hand Beispiele, in denen eine Verantwortlichkeit mangels unmittelbarer Verursachung ausscheiden soll. So liege eine unmittelbare Verursachung beispielsweise nicht vor, soweit mit einer behördlichen Genehmigungserteilung oder etwa einer kommunalen Bauleitplanung lediglich die Voraussetzungen für die Ausübung einer tatbestandlichen beruflichen Tätigkeit ­geschaffen werden (BT-Drucks. 16/3806: 21).

Insbesondere: Haftung von Planungsbüros?

In diesem Kontext stellt sich auch die Frage, ob etwa Planungsbüros als Verantwortliche im Sinne des Gesetzes erachtet werden können (die Arbeit von Planungsbüros bzw. Gutachterbüros kann aber auch relevant für die Beurteilung dessen sein, ob ein schuldhaftes Handeln im Sinne des § 3 Abs.1 Nr.2 USchadG vorliegt, vgl. VG Neustadt, Urt. v. 25.03.2014, Az. 5 K 505/13.NW, Rdnr. 84 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.07.2015, Az. 8 A 10041/15, Rdnr. 89ff. (zitiert jeweils nach juris)). Dies wird zum Teil (insbesondere bei Biodiversitätsschäden, in denen eine verschuldensabhängige Haftung möglich ist) mit dem Argument angenommen, dass Planunterlagen einen Umweltschaden unmittelbar herbeiführen können, weil sie die eigentliche Ursache für den Schaden setzen (Louis 2009: 2 (6)). Die die Unterlagen prüfende Behörde (im Zuge eines Genehmigungsverfahrens) sei nicht verpflichtet, eigene Bestandsaufnahmen durchzuführen und Mängel der Planung zu entdecken (Louis 2009: 2 (6)).

Ob dies allerdings allgemein und generell zutreffend sein kann, ist zumindest zweifelhaft. Letztlich ist die Erstellung von Planunterlagen, etwa im Zuge eines Genehmigungsverfahrens, nur einer von vielen erforderlichen Schritten, die zur eigent­lichen schädigenden Handlung führen können. Zwar ist zuzugeben, dass sie am Anfang einer (kausalen) Kette stehen können, wenn die letztlich ausgeführte Tätigkeit später entsprechend der Planung durchgeführt wird. Zwischen diesem Schritt und der eigentlich schädigenden Handlung stehen jedoch noch weitere Zwischenschritte, die zumindest der Annahme der Unmittelbarkeit entgegenstehen können.

Ein Verweis auf eingeschränkte behördliche Prüfpflichten überzeugt in diesem Kontext nur bedingt, da es gerade Aufgabe der Behörden ist, zu überprüfen, ob die maßgeblichen, im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu prüfenden Vorgaben eingehalten werden, selbst wenn sie sich auf die eingereichten Erhebungsdaten und Fakten verlassen kann. Die Möglichkeiten dessen, was im Zuge des Genehmigungsverfahrens noch gefordert, geändert oder angepasst werden kann, sind vielfältig. Allein dies spricht gegen die generelle Annahme der Unmittelbarkeit. Ausschlaggebend dürfte jedoch sein, dass es stets und in jedem Falle einer weiteren Handlung, nämlich der eigentlich Schädigenden, bedarf. Das Gesetz stellt auf diese unmittelbare Verursachung des Umweltschadens und nicht auf die unmittelbare Verursachung eines ersten Kausalgliedes eines Umweltschadens ab.

In diesem Kontext ist auf das kürzlich ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22.07.2015, Az. 8A 10041/15, hinzuweisen (vgl. bereits oben unter Abschnitt 1). Das Gericht nahm in jenem konkreten Fall an, dass etwaige Sorgfaltspflichtverstöße bzw. das Verschulden eines Planungsbüros dem Auftraggeber jedenfalls nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden könnten. Zivilrecht­liche Zurechnungsnormen, wie etwa § 278 BGB oder § 831 BGB, seien letztlich u.a. aufgrund des grundlegenden Charakters der umweltschadensrechtlichen Normen und der daraus folgenden „Fremdheit“ der verschuldensabängigen Haftung nicht – auch nicht analog oder rechtsgedanklich – anwendbar. Auch liege eine „Bestimmung“ der gutachterlichen Tätigkeit durch den Auftraggeber im Sinne der umweltschadensrechtlichen Vorschriften nicht vor, da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine Weisungsbefugnis oder eine sonstige Beeinflussung durch den Auftraggeber bestünden. Zu der Frage, ob und inwieweit eine eigene Haftung eines Gutachters in Betracht kommt, äußerte sich das Gericht nicht.

Letztlich muss dies eine Frage des jeweiligen Einzelfalles (Roller et al. 2014: 22) bleiben, zumal die jeweiligen Geschehensabläufe sowie die Kausalkette genau analysiert werden müssen und auch – je nach Schutzgut – Verschuldensfragen eine Rolle spielen. Eine Haftung lässt sich nicht auf den ersten Blick gemeinhin ausschließen, aber auch nicht allgemein annehmen. Gleiches gilt im Übrigen auch, soweit generell Dritte zur Begutachtung, Bewertung oder Realisierung eines Vorhabens eingeschaltet werden. Welche Maßstäbe sich im Zuge der Beurteilung der damit einhergehenden Rechtsfragen durch die (insbesondere auch höchstrichterliche) Rechtsprechung herauskristallisieren werden, bleibt abzuwarten.

Abgesehen von der öffentlich-rechtlichen Haftung sei der Vollständigkeit halber noch darauf hingewiesen, dass neben einer etwaigen öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme auch eine zivilrechtliche Haftung des Planungsbüros gegenüber dem Auftraggeber prinzipiell wohl in Betracht kommen kann. Dies ist etwa denkbar, sofern und soweit die einer beruflichen Tätigkeit zugrundeliegende Planung unzureichend oder fehlerhaft war und der Auftraggeber wegen eines Umweltschadens, dessen Eintreten etwa im Zuge der Planung hätte erkannt und vermieden werden können, entsprechende Aufwendungen tätigen muss.

4 Ausblick

Die Ausführungen verdeutlichen, dass nach wie vor diverse offene Rechtsfragen bestehen, deren Klärung durch eine gefestigte Rechtsprechung, aber auch durch eine vielfältige und gelebte Praxis in diesem Kontext noch aussteht. Selbst wenn sich über die Zeit in Bezug auf die rechtlichen Problemkreise der Umwelthaftung nach dem USchadG – insbesondere auch hinsichtlich der Beurteilung der Verantwortlichkeit – eine entsprechende Festigung des anzulegenden Rechtsmaßstabs ergeben sollte, stellen sich die in der Praxis denkbaren Fallkonstellation divers und abwechslungsreich dar. Daher wird der jeweilige konkrete Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Merkmale und Eigenschaften desselben stets für die Beurteilung maßgeblich sein. Ein Dispens vom Erfordernis der genauen Betrachtung des individuellen Falles ist schlicht nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund und der Strenge des Umweltschadensrechts (auch unter Berücksichtigung der nur begrenzten Enthaftungsmöglichkeiten nach § 19 Abs.1 S.2 USchadG (vgl. hierzu ausführlich Peters et. al. 2015: 49 ff.) empfiehlt sich – prinzipiell – im Zusammenhang mit potentiell umweltschädigenden Tätigkeiten, ein gesteigertes Maß an Vorsicht walten zu lassen und das Bewusstsein für dieses Instrumentarium zu steigern.

Literatur

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