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Das Verschlechterungsverbot für Natura 2000-Gebiete– eine laufende und weitreichende Verpflichtung

Natura 2000-Gebiete werden durch Art. 6 der FFH-Richtlinie einem strengen Schutzregime unterstellt. Das in Art. 6 Abs. 2 FFH-RL formulierte „Verschlechterungsverbot“ verpflichtet jeden Mitgliedstaat dazu, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine „Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind“ zu vermeiden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass es sich hierbei um eine laufende Verpflichtung der Mitgliedstaaten handelt.

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Allgemein gilt, dass Tätigkeiten nur dann im Einklang mit Art. 6 Abs. 2 FFH-RL stehen, wenn gewährleistet ist, dass sie sich nicht negativ auf die Schutzgüter des jeweiligen Natura 2000-Gebiets auswirken. Sie dürfen also weder zu einer Verschlechterungen von Lebensräumen noch zu einer erheblichen Störung von Arten führen. Für einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot reicht es bereits aus, wenn die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr einer Verschlechterung bzw. erheblichen Störung besteht (vgl. EuGH, Urteile C-404/09, C-141/ 14, C-461/14).

Reichweite des Verschlechterungsverbots

Die Regelungen von Art. 6 FFH-RL bilden einen zusammenhängenden Normenkomplex; die Absätze 2 und 3 sollen ein gleiches Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten gewährleisten (EuGH, C-399/14, C-323/17).

Art. 6 Abs. 3 FFH-RL dient dazu, das Verschlechterungsverbot für Natura 2000-Gebiete auch bei der Durchführung von Plänen und Projekten einzuhalten. Die zuständigen Behörden dürfen Plänen und Projekten (vorbehaltlich einer Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL) daher nur dann zustimmen, wenn keine erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebiets zu erwarten sind. Bei bestehenden Unsicherheiten über die Auswirkungen des Plans oder des Projektes auf das Gebiet ist die Genehmigung zu versagen. Dies entspricht auch dem europarechtlich normierten Vorsorgegrundsatz. Ein weniger strenges Genehmigungskriterium könnte den Gebietsschutz nicht wirksam gewährleisten (C-127/02, C-521/12).

Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL beschränkt sich auf die Genehmigungsphase von Plänen und Projekten. Stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass das Vorhaben doch zu Verschlechterungen oder Störungen geführt hat bzw. führen kann, so greift das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL; d.h. die zuständige Behörde ist in der Pflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um diesen (eingetretenen wie drohenden) Verschlechterungen entgegenzuwirken (EuGH, C-127/02).

Auch wenn ein Natura 2000-Gebiet zum Zeitpunkt der Genehmigung noch nicht bestand, die Durchführung des Vorhabens jedoch erst nach Einrichtung des Schutzgebiets erfolgt, muss das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL eingehalten werden. Die zuständige Behörde muss geeignete Maßnahmen treffen, um mögliche vorhabensbedingte Verschlechterungen im Natura 2000-Gebiet zu vermeiden. Hierbei kann auch eine – auf Art. 6 Abs. 2 FFH-RL gestützte – nachträgliche FFH-Verträglichkeitsprüfung in Betracht kommen (EuGH, C-6/04, C-399/14).

Selbst wenn der Betrieb einer Anlage oder die Ausübung einer Tätigkeit bereits vor der Einrichtung des Natura 2000-Gebiets aufgenommen wurde, gilt das Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Daher muss die zuständige Behörde durch geeignete Maßnahmen oder Anordnungen sicherstellen, dass der (aktuelle) Anlagenbetrieb oder die aktuell ausgeübte Tätigkeit nicht gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL verstoßen. Der EuGH hat hierzu ausdrücklich festgestellt, dass sich das „Verschlechterungsverbot nicht auf die Verpflichtung des betroffenen Mitgliedstaats beschränkt, nur neue schädliche Tätigkeiten zu untersagen oder zu beenden“ (EuGH, C-504/14).

Handlungspflicht auch bei Umweltschaden

Aus der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 2 FFH-RL ergeben sich auch Konsequenzen für Umweltschäden in Natura 2000-Gebieten. Nach dem Umweltschadensgesetz kann der Verursacher eines Umweltschadens i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG nur zu Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden, wenn er den Umweltschaden durch seine berufliche Tätigkeit verursacht und er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Vorsatz oder Fahrlässigkeit sind jedoch häufig nicht nachweisbar (vgl.Naturschutz und Landschaftsplanung 2018(5): 168 ). Und selbst wenn Umweltschaden und Verschulden – wie im Fall der Trauerseeschwalben von Eiderstedt – gerichtlich festgestellt wurden (OVG Schleswig-Holstein, Az.: 1 LB 2/13), so vergehen doch zumeist einige Jahre, bis alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind und ein Verursacher gegebenenfalls von der zuständigen Behörde zu Sanierungsmaßnahmen verpflichtet wird.

Ein Umweltschaden an FFH-Lebensräumen oder Natura 2000-Arten und ihren Habitaten liegt vor, wenn der Schaden erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG). In einem Natura 2000-Gebiet verstößt ein Umweltschaden daher auch immer zugleich gegen das Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL – und zwar unabhängig davon, ob er bereits eingetreten ist oder einzutreten droht. Demzufolge darf die zuständige Behörde auch nicht untätig abwarten, ob der Schadensverursacher zu Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden kann, sondern muss – unabhängig von der Haftungsfrage – selbst die erforderlichen Maßnahmen treffen, um im betroffenen Natura 2000-Gebiet eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden. Ansonsten würde die Behörde gegen die mitgliedstaatlichen Verpflichtungen verstoßen.

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