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Entgegnung zur Kritik von Fretzer & Möckel an den BfN-Fachkonventionen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung

Bewertung der Erheblichkeit in der FFH-VP – Fachkonventionen oder ­Ecopath-Ökosystemmodell?

Abstracts

Die Fachkonventionen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) von Lambrecht & Trautner (2007) zur Bewertung der Erheblichkeit in der FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) sind als Stand von Wissenschaft und Technik anerkannt, gerichtlich bestätigt und werden in der Praxis in FFH-VP zu unterschiedlichsten Vorhabentypen und Fallkonstellationen angewandt. Fretzer & Möckel (2015) legen nun Kritikpunkte dar, welche die Aussagekraft der Fachkonventionen hinterfragen. Alter­nativ schlagen diese das sogenannte Ecopath-Ökosystemmodell als Methode zur Bewertung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen vor.

Im vorliegenden Beitrag wird dargelegt, warum die angeführten Kritikpunkte nicht zutreffen. Die Kritik geht von einem unzutreffenden Verständnis der rechtlichen und fachlichen Grundlagen der FFH-Verträglichkeitsprüfung aus und beruht auf einer falschen Interpretation der Herleitung, inhaltlichen Ausgestaltung und Anwendung der Fachkonventionen. Insoweit ist auch weder zutreffend noch nachvollziehbar, dass bezogen auf ein geprüftes (fiktives) Fallbeispiel nach dem Ecopath-Ökosystemmodell erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen sollen.

Die Ausführungen von Fretzer & Möckel sind somit weder dazu geeignet, die BfN-Fachkonventionen grundsätzlich in Frage zu stellen, noch einen alternativen Ansatz für die Bewertung der Erheblichkeit im Rahmen einer FFH-VP vorzuschlagen. Die BfN-Fachkonventionen stellen vielmehr, auch vor dem Hintergrund der strengen Rechtsprechung des Eutropäischen Gerichtshofs (EuGH), weiterhin eine geeignete Methode zur fachlichen Ausfüllung des Begriffs der Erheblichkeit von Eingriffen dar.

Evaluating the Threshold of Significance in Appropriate Assessments – Technical Standards or Ecopath Ecosystem Model? Reply to the critics of Fretzer & Möckel on the Technical Standards for Appropriate Assessments

The technical standards of the German Federal Agency for Nature Conservation (BfN) of Lambrecht & Trautner (2007) to assess significant adverse effects on Natura 2000 sites in an Appropriate Assessment (AA) according to Art. 6 Habitats ­Directive are recognized as state-of-the-art of science and technology. They have been judicially confirmed and are broadly used in practice in different types of projects and case sce­narios. Fretzer & Möckel (2015) now challenge these conventions and propose the so-called Ecopath ecosystem model as an alternative approach for Appropriate Assessments.

The present article explains why the criticism is not applicable. On the one hand, it is based on an incorrect understanding of the legal and technical basics of AA, and on the other hand on a wrong interpretation of the derivation, the conceptual contents, and the application of the technical standards. In this respect, it is also neither applicable nor comprehensible, that for a surveyed (fictional) case study the Ecopath ecosystem model should evince significant adverse impacts.

The accomplishments are therefore neither suitable to cast doubt on the BfN-standards nor to do they suggest an alternative method for assessing the significance within the framework of the AA. The BfN-standards still provide an appropriate methodology for the professional interpretation of the significance-term in the context of AA of plans and projects affecting Natura 2000 sites, also in the light of the strict case-law of the European Court of Justice.

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1 Ausgangssituation und Anlass der Entgegnung

Die in einem sechsjährigen Erarbeitungs- und Abstimmungsprozess im Rahmen mehrerer Forschungs- und Entwicklungsvorhaben unter Einbeziehung breiter Fachkreise aus Wissenschaft und Praxis entwickelten BfN-Fachkonventionen von Lambrecht & Trautner (2007) sind in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Bewertung der Erheblichkeit höchstrichterlich bestätigt. Sie haben Eingang in verschiedene Leitfäden gefunden und sind seit Jahren in der Planungspraxis etabliert.

Fretzer & Möckel (2015) formulieren in ihrem Beitrag nun einige Kritikpunkte, die dazu dienen sollen, die „Aussagekraft der BfN-Fachkonventionen zur Bewertung der Erheblichkeit von Flächeninanspruchnahmen von Lambrecht & Trautner (2007) zu hinterfragen“ und stattdessen ein sogenanntes Ecopath-Ökosystemmodell als Methode zur Bewertung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen zu etablieren.

Nachfolgend werden ihre angeführten Thesen geprüft und den voreiligen Schlussfolgerungen wird inhaltlich entgegnet. Zudem wird in Frage gestellt, ob das von Fretzer & Möckel alternativ vorgeschlagene Ecopath-Ökosystemmodell in der Lage sein könnte, die Anforderungen an eine Erheblichkeitsbeurteilung im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu erfüllen.

2 Zur Kritik an den ­BfN-Fachkonventionen

2.1 Bezugsebene Lebensraumtypen und Definition einer Population

Zunächst wird von Fretzer & Möckel im Hinblick auf die Fachkonventionen kritisiert, dass diese auf der Basis von Lebensraumtypen entwickelt wurden, da „Zweifel an der praktischen Erfassung der Lebensraumtypen (bestehen)“, da diese sich auf Pflanzengesellschaften bezögen, obwohl es sich um konkrete Ökosysteme handele, die auch im Hinblick auf den Naturhaushalt und intra- und interspezifische Wechselwirkungen hin untersucht werden müssten (S. 118). Hierzu muss festgestellt werden, dass es im Zusammenhang mit FFH-Verträglichkeitsprüfungen (FFH-VP) weder fachlich noch rechtlich zielführend wäre, das Konzept der FFH-Lebensraumtypen durch einen neuen Ansatz der Ökosystembewertung zu ersetzen. Zudem ist es allgemein etabliert, FFH-Lebensraumtypen anhand von Pflanzengesellschaften und Biotoptypen indikatorisch zu fassen, zu beschreiben und abzugrenzen. Mit ihrer spezifischen Artenzusammensetzung resultieren sie gerade aus dem Zusammenwirken von biotischen und abiotischen Standortfaktoren sowie Konkurrenzverhältnissen und integrieren diese.

Die FFH-Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie stellen eine essenzielle und normativ vorgegebene Grundlage für das gesamte Natura-2000-Regelwerk von der Gebietsmeldung über Standarddatenbögen, Berichtspflicht und Monitoring bis hin zur Bewertung des Erhaltungszustands und letztlich auch der FFH-Verträglichkeit dar. Ein Ansatz, der dies grundsätzlich in Frage stellt und stattdessen mit Ökosystemmodellen arbeitet, ist für diese Aufgabe nicht geeignet. Er ist für das durch die FFH-Richtlinie einschließlich ihrer Anhänge und durch das BNatSchG normierte Prüfprogramm weder praktikabel noch anwendbar. Dass gleichwohl auch ökosystemare Auswirkungen, soweit sie für die Erhaltungsziele der zu schützenden Arten und Lebensraumtypen maßgeblich sind, mit in den Blick zu nehmen sein können, bleibt dagegen unbestritten.

Die Kritik an der fachlichen Definition der Population ist nicht nachvollziehbar, spielt im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz aber auch keine wesentliche Rolle, da der Bezugsgegenstand für die FFH-VP jedenfalls primär das Gebiet mit seinen Gebietsbeständen ist und nicht biologisch definierte Populationen.

Fretzer & Möckel verkennen offenbar, dass die rechtlichen Prüfnormen nicht unmittelbar auf Begriffe und Konzepte der wissenschaftlichen Ökologie zurückgreifen und eine 1:1-Übertragung daher nicht bzw. nicht voll umfänglich möglich ist.

2.2 Anwendung der Orientierungswerte

Zur Anwendung der Orientierungswerte werfen Fretzer & Möckel eine Reihe von Fragen auf, die insbesondere die Gleichförmigkeit der Orientierungswerte kritisieren. Diesbezüglich ist zunächst anzumerken, dass dies nicht zutrifft. Die Orien­tierungswerte – insbesondere bei den Tierarten – variieren u.a. in Abhängigkeit von den artspezifischen Aktionsräumen in großem Umfang zwischen wenigen Quadratmetern und mehreren Hektar. Zudem hängt der jeweils maßgebliche Orientierungswert (Stufe I, II oder III) immer von der jeweiligen Ausprägung der Bestände im konkreten Natura-2000-Gebiet und damit vom Einzelfall ab. Diese Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Falls unter Fokussierung auf das betroffene Natura-2000-Gebiet entspricht damit nicht nur der rechtlich gebotenen Einzelfall-Betrachtung, sondern erfolgte auch in Anlehnung an den Leitfaden der EU-Kommission zur FFH-VP (Europäische Kommission 2000: 36): Danach kann z.B. „der Verlust einer 100 m2 großen Fläche in einem kleinen Gebiet mit seltenen Orchideen erheblich, ein Verlust in vergleichbarer Größenordnung in einem großen Steppengebiet dagegen unerheblich sein“.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Orientierungswerte als Hilfestellung für die Erheblichkeitsbewertung in der FFH-VP entwickelt wurden, jedoch nicht darauf abzielen, die fachgutachterliche Beurteilung der Erheblichkeit gänzlich zu ersetzen. So werden in der praktischen Anwendung regelmäßig die spezifischen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls (beispielsweise Standortbedingungen, Vorbelastungen) sowie die Funktionen des Lebensraumtyps, der Art oder des Habitats für das betroffene Natura-2000-Gebiet berücksichtigt. Dies ist im Übrigen auch in den Fachkonventionsvorschlägen zur Bewertung der Erheblichkeit angelegt, die neben den Orientierungswerten die Prüfung qualitativ-funktionaler Besonderheiten sowie die Kumulation mit anderen Wirkfaktoren oder Beeinträchtigungen durch andere Pläne und Projekte vorsehen. Insbesondere bei der Bewertung der Beeinträchtigungen von Arten bzw. Habitaten setzt die Anwendung der Fachkonventionen voraus, dass Habitate der Arten im konkreten Einzelfall gutachterlich hinreichend definiert und abgegrenzt werden und obligat und fakultativ genutzte Flächen sowie die Funktionen von Teilhabitaten (beispielsweise Bruthabitat, Nahrungshabitat) bestimmt werden (Lambrecht & Trautner 2007: 48f.).

Eine Reduzierung der Fachkonventionen auf die Anwendung „immer derselben“ Orientierungswerte stellt die Fachkonventionen daher sehr verkürzt bzw. falsch dar und wird ihnen nicht gerecht.

2.3 Berücksichtigung ökologischer Grundkenntnisse und -daten

Entgegen den Aussagen von Fretzer & Möckel wurden zur Herleitung der Fachkonventionen differenzierte ökologische Daten herangezogen. Dies gilt sowohl für die Lebensraumtypen als auch für die Arten und ist im Forschungsbericht von Lambrecht & Trautner (2007) ausreichend dokumentiert (z.B. Kap. G). Bezüglich der Arten sei hier insbesondere auch auf Anhang 4 des Berichts mit recherchierten Daten z.B. zu Aktionsräumen von Individuen, Dichten sowie Flächengrößen für Populationen der betrachteten Arten hingewiesen, die für die Ableitung der jeweiligen Flächenklasse berücksichtigt wurden. Zudem wurden eine Typuszuordnung der Arten vorgenommen und diesbezügliche Erläuterungen zur Anwendung formuliert (s. Kap. E.3 und E.4 des Berichts).

2.4 Interner wissenschaftlicher Diskurs?

Die Kritik von Fretzer & Möckel (S. 117 im Abstract), die Herleitung der Orientierungswerte beruhe auf einem „internen wissenschaftlichen Diskurs“ und könne daher nicht überprüft werden, kann nur mit Erstaunen zur Kenntnis genommen werden und entbehrt jeder Grundlage. Die Methode der Fachkonventionen und insbesondere die Orientierungswerte wurden im Rahmen eines sechsjährigen Prozesses nicht nur mit einem interdisziplinären Forschungsbegleitkreis, sondern auch im Rahmen einer Fachveranstaltung, einer Internetbefragung und einer Länder­konsultation breit abgestimmt. Für solch ­einen breiten und intensiven Abstimmungs- und Beteiligungsprozess gibt es im Bereich des Naturschutzes sicher nur wenige vergleichbare Beispiele.

Im Übrigen ist im Bericht auch die Herleitung der Orientierungswerte in eigenen Kapiteln unter Nennung der dafür herangezogenen Quellen vollumfänglich dokumentiert. In Anhang 7 des Berichts ist eine Chronologie des Erarbeitungs-, Beteiligungs- und Abstimmungsprozesses zu den Fachkonventionen enthalten.

2.5 Zielsetzung und Bedeutung von Fachkonventionen

Im Beitrag von Fretzer & Möckel wird deutlich, dass die Autoren wohl nicht erkannt haben, dass die Frage der Bewertung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen in der FFH-VP – wie auch in anderen Prüfnormen – nie nur eine fachliche bzw. naturwissenschaftliche, sondern immer auch eine normative Komponente beinhaltet. Dies wird unter anderem in ihrer Kritik deutlich, dass ein „Muster der Orientierungswerte eine proportionale Toleranz gegenüber Flächenverlusten“ aufzeige. Das, was im Rahmen einer Prüfnorm als „erheblich“ bewertet wird und entsprechende Rechtsfolgen auslöst, kann nicht allein naturwissenschaftlich oder aus der Ökologie heraus beantwortet werden. Vielmehr bestimmt der Gesetzgeber durch das Erfordernis der Erheblichkeit eine Bagatellschwelle, die es entweder durch untergesetzliche Normen oder über Fachkonventionen auszufüllen gilt, wenn man den Vollzug nicht der Beliebigkeit im Einzelfall preisgeben möchte. Fachkonventionen sind fachliche Übereinkünfte, die Standards (begriffliche, inhaltliche methodische, aber auch Ziel- und Grenzwertstandards) festlegen, und Vorgänge betreffen, die nicht objektiv – wie etwa Gesetzmäßigkeiten – bestimmt werden können, sondern in Entscheidungsprozessen sorgfältig abgewogen werden müssen (Bick 2014: 3). Dies war prägend für den sechsjährigen Entwicklungs- und Abstimmungsprozess der BfN-Fachkonventionen.

Es wurde basierend auf umfangreich dokumentierten fachwissenschaftlichen Grundlagendaten (z.B. zur Mobilität, den Aktionsräumen und Dichten von Arten) transparent dargelegt, welche Flächenverluste in Lebensraumtypen oder Habitatverluste für die Bestände einer Art noch als tolerierbar erachtet werden. Oder, anders formuliert, bei welchen dauerhaften Habitatverlusten einer Art auch unter Berücksichtigung der strengen FFH-rechtlichen Vorsorgemaßstäbe jedenfalls noch mit der gebotenen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass es zu einem für die Schutz- und Erhaltungsziele relevanten Bestandsrückgang kommt, mithin – qualitativ und quantitativ – noch von unerheblichen Beeinträchtigungen gesprochen werden kann.

Richtig ist, dass es bei Fachkonventionen auch normativer Setzungen bedarf, die nicht bis ins letzte Detail wissenschaftlich herzuleiten sind, auch wenn es um die Fragen „ökologischer Grenzen“ geht. So formuliert der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU 2012: 54): „So unbestreitbar die Tatsache ist, dass ökologische Grenzen bestehen, so problematisch ist ihre konkrete Bestimmung. Aus Sicht des SRU kann der Begriff der ‚ökologischen Grenzen‘ nicht rein naturwissenschaftlich verstanden werden, sondern enthält immer auch eine normative Komponente.“

Fachkonventionen sind definiert als Konventionen mit einem Gültigkeitsbereich für einen bestimmten Wissenschafts- und Technikbereich, die in der Regel fachintern erstellt werden. Sie stellen als Verständigung unter Fachleuten eine eher weiche Form der Standardisierung dar (vgl. Kiemstedt 1996: 93, Plachter et al. 2002: 37, Wulfert et al. 2015: 6). Fachkonventionen sind aber von großer Bedeutung, weil sie die Subjektivität und Heterogenität von Gutachtervoten oder behördlichen Entscheidungen verringern und dafür die Nachvollziehbarkeit, Qualität sowie Planungs- und Rechtssicherheit erhöhen. So haben sich sowohl die behördliche Prüfung als auch ihre gerichtliche Kontrolle vorrangig an einschlägigen Konventionen und Standardwerken zu orientieren, die die herrschenden fach­wissenschaftlichen Auffassungen wiedergeben (Storost 2015: 48).

3 Zur Anwendbarkeit des ­Ecopath-Ökosystemmodells in FFH-VP

Das Ecopath-Modell ist nach Fretzer & Möckel (S. 119) eine quantitative Modellierungsmethode, die nach Christensen et al. (2008) die Biomasse-Flüsse zwischen funktionellen Gruppen beschreibt. Eine funktionelle Gruppe könne aus einer einzelnen Art oder Population bestehen oder sich auf einzelne oder mehrere Familien oder Taxa beziehen. Für jede funktionelle Gruppe werde angenommen, dass innerhalb eines definierten Zeitraums Input und Output gleich seien. Um die Matrixberechnung in Ecopath durchführen zu können, müsse für jede funktionelle Gruppe eine Gleichung mit einer Vielzahl an Parametern herangezogen werden – so z.B. Biomasse der Beutegruppe, Biomasse des Räubers, die Produktion/Biomasse-Rate, die ökotrophische Effizienz, die Fang- oder Jagdquote, die Netto-Migrationsrate oder die Biomasse-Akkumulationsrate. Falls Parameter für eine funktionelle Gruppe nicht ermittelt werden können, sei es notwendig, Ecopath zusätzliche Daten zur Verfügung zu stellen, so dass die Software die fehlenden Parameter berechnen könne.

Dieser Ansatz lässt eine Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen planerischer Prüfinstrumente in der Praxis allgemein sowie der FFH-VP im Besonderen vermissen. Weder in FFH-Verträglichkeitsprüfungen noch in sonstigen naturschutzrechtlichen Prüfinstrumenten ist es üblich, für die Bewertung von Lebensraum- oder Habitatverlusten mit quantitativen Modellierungen Biomasse-Flüsse zwischen funktionellen Gruppen zu ermitteln oder zu bewerten.

Aus dem Beitrag wird zudem auch nicht deutlich, wie diese Modellierung auf nachvollziehbare und valide Weise im Rahmen von naturschutzfachlichen Prüfungen erfolgen soll. So geht insbesondere durch die Einbeziehung weiterer Modelle sowie das Zusammentragen verschiedener Daten- und Informationsquellen aus unterschiedlichsten Studien und Untersuchungsräumen die Nachvollziehbarkeit der Modellierung verloren. Für eine Anwendung im Rahmen der Planungspraxis und vor dem Hintergrund der notwendigen Rechtssicherheit ist jedoch die Transparenz und Nachvollbarziehbarkeit von Bewertungsverfahren von besonderer Relevanz.

Zu keinem der zahlreichen erforderlichen Parameter werden in der Planungspraxis üblicherweise Daten ermittelt, geschweige denn Daten vorgehalten. Ob außerdem ein ausschließlicher Rückgriff auf wissenschaftliche Literatur zur „Füllung“ des Modells (unter Prüfung der Übertragbarkeit für den jeweils konkreten Fall) möglich und sinnhaft sein kann, ist zu hinterfragen. Es bleibt auch vollständig offen, wie dies in anders gelagerten Fällen, z.B. der Betroffenheit anderer Lebensraumtypen, realistischerweise durchgeführt werden könnte. Eine Erfassung zahlreicher Artengruppen bzw. Trophieebenen wie z.B. der Stechimmen, Wanzen, Würmer oder des Detritus sowie der vielen weiteren in Tab. 2 und Tab. 3 genannten funktionellen Gruppen bzw. Parameter ist dagegen in naturschutzfachlichen Prüfinstrumenten in der Regel sicher weder fachlich möglich oder notwendig noch rechtlich geboten.

Auch der – ebenfalls europarechtlich verankerte – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht dem entgegen, in dessen Lichte die FFH-Richtlinie zu interpretieren und anzuwenden ist. So führt auch die Rechtsprechung regelmäßig aus, dass in naturschutzfachlichen Prüfungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht das gesamte Arteninventar von Gebieten oder Ökosystemen ermittelt werden kann oder muss (z.B. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14.07, Rn. 57). Daher dürfte der vorgeschlagene Ansatz, soweit er überhaupt zielführend wäre, auch weit außerhalb des Rahmens liegen, der von den Gerichten für naturschutzfachliche Prüfinstrumente wie die FFH-VP eingefordert wird.

Zudem stellt sich sehr nachdrücklich die Frage, warum für die Bewertung von Lebensraumtyp- oder Habitatverlusten z.B. durch Überbauung ausgerechnet ein Ansatz von ökosystemaren Stoffbilanzen geeignet sein sollte.

Grundsätzlich halten wir für die Bewertung des Verlustes von Habitatflächen von Arten die Herangehensweise über einen Biomasseentzug für deutlich weniger geeignet als das im Rahmen der Fachkonventionen im Hinblick auf einen möglichen Bagatellfall gewählte Vorgehen der differenzierten Unterscheidung von Flächen hinsichtlich ihrer Habitatfunktion und Bedeutung.

Des Weiteren stellt sich eine Reihe grundsätzlicher Fragen zur Geeignetheit des Ansatzes bzw. bestimmter Parameter für die naturschutzfachliche Bewertung, z.B. zu Gesamtbiomasse und Biomasseproduktion.

Unabhängig davon ist zudem nicht erkennbar, wie aus etwaigen Veränderungen, die ein solches Modell ggf. am Ende anzeigt, eine normative Bewertung im Hinblick auf die Erheblichkeit im Zusammenhang mit einer Rechtsnorm abgeleitet werden soll. Nicht jede Veränderung ist „erheblich“ im rechtlichen Sinne. Noch so differenzierte naturwissenschaftliche Modellierung allein, selbst wenn für sie die „Realitätstauglichkeit modellierter Wirkungszusammenhänge“ (SRU 2012: 15, dort im Monitoringkontext) nachgewiesen worden wäre, kann normative Bewertungsfragen nicht beantworten. Hierfür bedarf es, wie eingangs dargelegt, entweder rechtlicher Bewertungsmaßstäbe oder fachlicher Übereinkünfte.

Fretzer & Möckel bleiben in ihrem gesamten Beitrag vor dem Hintergrund ihrer eigenen Kritik eine Antwort oder einen zumindest wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der Frage schuldig, wie denn nun die Grenze einer Erheblichkeit von Beeinträchtigungen im Sinne der FFH-Verträglichkeitsprüfung bestimmt werden kann. Sie gehen dabei auch nicht näher auf die zentralen, spezifischen Prüfmaßstäbe ein, die sich aus der FFH-Richtlinie im Kontext des Erhaltungszustands von Arten und LRT ergeben.

Dass hingegen die Überbauung von Flächen mit biologisch/ökosystemar bestimmten Funktionen, die sie vorher erfüllten, nicht grundsätzlich folgenlos bleibt, bedarf weder einer eingehenden Erörterung noch einer neuen Beweisführung. Hiervon wird im Rahmen der Rechtsprechung zur FFH-VP (vgl. z.B. Sweetman-Urteil des EuGH v. 11.04.2013, C-258/11, oder die ständige Rechtsprechung des BVerwG) ebenso regelmäßig ausgegangen wie im Rahmen der Anwendung der Eingriffsregelung des BNatSchG (§ 14ff., u.a. Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen). Gleichermaßen trifft dies auf Vorhaben zu, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen oder die im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung mit entsprechender Umweltprüfung nach BauGB vorbereitet und später umgesetzt werden sollen, wobei auch hier nicht jede Veränderung rechtlich relevant und die Qualifikation als „erheblich“ jeweils im Rahmen einer Beurteilung zu leisten ist (z.B. Fischer-Hüftle & Czybulka 2011: 265ff.).

Die vorliegende Entgegnung soll keinesfalls ökosystemare Betrachtungen als solche kritisieren oder die Anwendung entsprechend differenzierter Bewertungsansätze in FFH-Verträglichkeitsprüfungen generell in Frage stellen. Die Fachkonventionen bilden primär einen normativen Orientierungsrahmen für die Bewertung der Erheblichkeit von LRT- oder Habitat-Verlusten (z.B. durch Überbauung/Flächeninanspruchnahme). Es wird explizit darauf hingewiesen, dass für andere Wirkfaktoren eigenständige Bewertungsansätze notwendig sein können, die ggf. auch über die Ermittlung „gradueller Funk­tionsverluste“ gemeinsam mit den Fachkonventionen zur Anwendung kommen können (vgl. auch Ausführungen zu unterschiedlichen Wirkfaktoren im Fachinformationssystem zur FFH-Verträglichkeitsprüfung FFH-VP-Info, BfN 2015).

Daher besteht trotz der etablierten Fachkonventionen Bedarf an Wirkfaktor-spezifischen Bewertungsansätzen. Es geht nicht um ein „entweder oder“, sondern vielfach eher um ein „sowohl als auch“. Das Ecopath-Modell mit seinen komplexen Stoffbilanz-Modellierungen wird jedoch in naturschutzfachlichen Prüfinstrumenten wie der FFH-VP kaum realistisch einsetzbar sein. Kritik am Einsatz von Modellierungen im Rahmen der FFH-VP, bei denen eine breite wissenschaftliche Diskussion über die Belastbarkeit der Ergebnisse noch aussteht, äußert zudem das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 28.03. 2013 – 9 A 22.11, Rn. 64).

Ob der Ansatz ggf. in spezifischen anderen Anwendungskontexten geeignet ist, kann und soll dagegen hier nicht beurteilt werden.

4 Die Auseinandersetzung mit dem Fallbeispiel

4.1 Was sagen die Fachkonventionen dazu aus?

Fretzer & Möckel unterstellen, die Fachkonventionen stuften für das geprüfte Beispiel „die negativen Auswirkungen auf den Hirschkäfer und den Hainsimsen-Buchenwald als nicht erheblich“ ein, demgegenüber würden „nach dem Ecopath-Ökosystemmodell erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen“ (S. 123).

Tatsächlich handelt es sich aber bei dem im Bericht der Fachkonventionen (Lambrecht & Trautner 2007) ab S. 63 dargestellten Fall um ein fiktives Beispiel zur Erläuterung bestimmter methodischer Aspekte bei der Anwendung der Fachkonventionen. Eine vollständige FFH-VP ist etwas grundlegend anderes.

Zudem ist es in Teilen unzutreffend bzw. irreführend, wie Fretzer & Möckel die Anwendung der Fachkonventionen für das Praxisbeispiel schildern und dazu bestimmte Fragen aufwerfen (z.B. „Warum wurde nicht der gesamte Hainsimsen-Buchenwald im FFH-Gebiet erfasst […]?, S. 119). Dies kann und soll hier nicht vollständig erörtert werden, ist aber offenbar Teil des Problems, das dem Beitrag von Fretzer & Möckel zu Grunde liegt. Tatsächlich sind für das fiktive Fallbeispiel, für das im Forschungsbericht ein Kartenausschnitt kreiert und abgebildet wurde, Flächengröße und Abgrenzung dieses Lebensraumtyps als bekannt zu unterstellen. Es wird auch ausdrücklich auf den prozentualen Anteil, den die betroffene Fläche an diesem FFH-Lebensraumtyp im FFH-Gebiet einnimmt, hingewiesen. Gerade diese Relation stellt einen wesentlichen Aspekt in der Anwendung der Fachkonventionen sowie in der FFH-VP generell dar und kann daher nicht unberücksichtigt bleiben.

Ebenso verhält es sich mit den als Lebensstätte des Hirschkäfers eingestuften Flächen. Dass sich hierbei eng nebeneinander gelegene, abgegrenzte Flächen ergeben können, obwohl funktional ein Zusammenhang besteht bzw. bestehen kann, ist der Praxis der Erfassung von Lebensstätten im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung und der Managementplanung für Natura-2000-Gebiete geschuldet. Ein Beispiel hierfür sind im Waldverband häufig auftretende forstlich bedingte Waldbestandsstrukturen wie Streifen mit Fichtenreinbestand, die nicht in die Lebensstättenabgrenzung einbezogen werden dürfen. Hierzu existieren entsprechende, teils bundeslandspezifische Kartiervorgaben.

In den Abb. 4 bis 7 des fiktiven Fallbeispiels bei Lambrecht & Trautner (2007: 63ff.) wird ein Kartenausschnitt aus dem gesamten Natura-2000-Gebiet dargestellt, der einen kleinen Teil des Gebiets und dabei alle vom Vorhaben im Gebiet direkt betroffenen Flächen abbildet. Nicht mehr und nicht weniger.

Zusammenfassend ist klarzustellen: Das fiktive Fallbeispiel fokussiert in seinen Ausführungen auf bestimmte Aspekte der Beurteilung einer FFH-Verträglichkeit unter Anwendung der Fachkonventionen, was weder bedeutet, dass weitere Aspekte im konkreten Anwendungsfall negiert würden, noch dass mittels der Fachkonventionen hier eine konkrete und umfassende Bearbeitung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung (auf vier Seiten!) erfolgt wäre.

4.2 Was ergibt das Ecopath-Ökosystemmodell?

Die scheinbar vergleichende Untersuchung des fiktiven Beispiels verblüfft. Da einerseits naturgemäß für ein fiktives Planungsbeispiel keine konkreten, gebietsbezogenen Input-Daten für ein solches Modell vorliegen und andererseits die für die Modell-Anwendung erforderlichen Daten auch in der Regel selbst im konkreten Fall einer FFH-VP spezifisch weder vorliegen noch erhoben werden können, haben die Autoren aus diversen Quellen unterschiedlichster Herkunft aus Literatur und Internet Daten für ihre Modellierung herangezogen und auf das fiktive Fallbeispiel übertragen.

Auch wenn wir uns nicht differenziert damit auseinandersetzen wollen, ob die Modellierung für ein fiktives Fallbeispiel mit dem Anspruch der Überprüfung überhaupt Sinn machen kann, so ist dennoch festzuhalten, dass weder die Datenzusammenstellung noch die Parameterauswahl oder die Anwendung des Modells für dieses Beispiel anhand der Ausführungen im Beitrag inhaltlich im Detail nachvollzogen werden können.

Die vermeintliche Beweisführung von Fretzer & Möckel erweist sich auch bei näherer Betrachtung als ausgesprochen fraglich bzw. unzutreffend.

Ob z.B. ein Biomasse-Rückgang des Hirschkäfers als Vorhabenfolge überhaupt plausibel sein könnte [wie in Tab. 2 Nr. 13, Spalte Biomasse (t/km²), vor und nach Bau des Industriegebiets bei Fretzer & Möckel als einer der Basispara­meter ihres Ökosystemmodells unterstellt], bleibt schon deshalb fraglich, weil nach der expliziten Ausführung bei Lambrecht & Trautner (2007: 66) innerhalb der als Teil des Art-Lebensraums definierten Fläche, die vom Bau des Industrie­gebiets betroffen wäre, unter den Beispielvorgaben jedenfalls zum Zeitpunkt der Beurteilung keine aktuellen Brutbäume oder Brutsubstrate (und somit keine essenziellen Habitatstrukturen im Sinne der Bedingung A der Fachkonvention) existierten.

Insbesondere scheint bei Fretzer & Möckel unberücksichtigt zu bleiben, dass die Beurteilung erheblicher Beeinträchtigungen im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Natura-2000-Gebietsbestand der jeweiligen Art bzw. des jeweiligen Lebensraumtyps und mit Bezug zu den durch das Projekt oder den Plan hervorgerufenen (möglichen) Beeinträchtigungen vorgenommen werden muss. Ihre Ökosystemmodell-Anwendung stellt allerdings auf die (mögliche) Veränderung in einer Einzelfläche oder einen geringen Flächenausschnitt alleine und somit gerade auf kleinräumige Werte aus dem Fallbeispiel ab und löst diese damit in der Bewertung aus der Gesamtsituation heraus. Wenn Fretzer & Möckel davon ausgehen, dass dies dem Vorgehen bei der Anwendung der Fachkonventionen (auch im Fallbeispiel) entspräche, so ist das nicht zutreffend. Denn im Gegensatz zur Bewertung durch Fretzer & Möckel ist im Rahmen der Fachkonventionen der relative Bezug des Flächenverlusts zum Gesamtgebiet als integraler Bestandteil neben weiteren Aspekten berücksichtigt (Orientierungswert quantitativ-relativer Flächenverlust und Abstufungen des absoluten Orientierungswerts).

Es ist im Ergebnis fachlich abwegig, dass sich durch den Flächenverlust von 1700 m² (0,05 %) Hainsimsen-Buchenwald, der jedenfalls funktional nicht alleine steht, sondern in weitere Nicht-LRT-Waldflächen eingebettet „war“ und als LRT im Gebiet unter den Annahmen des gewählten Beispiels insgesamt eine Fläche von 340 ha aufweist, eine derartig schwerwiegende Veränderung des LRTs im Gesamtgebiet ergeben sollte, dass (Zitate aus Fretzer & Möckel: 122) „der Hainsimsen-Buchenwald […] stark beeinflusst“ wurde und „die Tiergruppen dieses Lebensraums […] alle aus dem Gleichgewicht“ gerieten sowie sich „die Funktionalität des Ökosystems“ dermaßen änderte, dass sich dies „drastisch“ in einem Rückgang der Ökosystemgröße, der Netto-Primärproduktion, der Netto-Systemproduktion etc. niederschlug. Dies gilt auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des im fiktiven Fallbeispiel unterstellten LRT-Flächenverlusts außerhalb des Schutzgebiets, der nicht direkt, sondern lediglich hinsichtlich einer möglichen Rückwirkung auf das Gebiet prüfungsrelevant wäre.

Die Ergebnisse und Bewertungen aus dieser Ökosystemmodellierung sind (anders als die Fachkonventionen) letztlich nicht auf den Art- und LRT-Bestand im Gebiet bezogen, sondern lediglich auf einen Teilausschnitt. Ihre direkte Übertragung als „erheblich“ im Maßstab der FFH-Verträglichkeitsprüfung geht schon deshalb auf eine falsche Interpretation vor dem Hintergrund der fachlich und rechtlich anzuwendenden Maßstäbe und in der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu beantwortender Fragen zurück.

Die Aussage, dass bezogen auf das Fallbeispiel „nach dem Ecopath-Ökosystemmodell erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen“ (Fretzer & Möckel 2015: 123), ist im Sinne der FFH-Prüfmaßstäbe fachinhaltlich und rechtlich unzutreffend und nicht nachvollziehbar.

5 Aktueller Stand und Anwendung der BfN-Fachkonventionen

Die Fachkonventionen wurden inzwischen vielfach in FFH-Verträglichkeitsprüfungen in der Praxis bei unterschiedlichsten Vorhabentypen und Fallkonstellationen angewandt, sie wurden von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft der obersten Naturschutzbehörden wohlwollend zur Kenntnis genommen (LANA 2007) und sind in der Rechtsprechung inzwischen allgemein anerkannt.

Insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht wurden die Fachkonventionen als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Bewertung der Erheblichkeit gerichtlich anerkannt (z.B. BVerwG, Urt. v. 12.03.2008; Az. 9 A 3.06; juris, 7. Leitsatz und Rn. 124 u. 125). Auch in der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG, z.B. zur A 33, Abschnitt 7.1 (BVerwG, Urt. v. 06.11.2012, Az. 9 A 17.11, juris, Rn. 46 f.) oder zur A 49 (BVerwG, Urt. v. 23.04.2014, Az. 9 A 25.12, juris, z. B. Rn. 66) werden Bedeutung und Anwendbarkeit der Fachkonventionen – nun auch für den Bereich der Tierarten – bestätigt, aber gleichermaßen darauf hingewiesen, dass im Einzelfall von den Orientierungswerten abgewichen werden kann, wenn dies im fachlichen Begründungszusammenhang nachvollziehbar darzulegen ist.

Sie haben damit zwischenzeitlich im Sinne ihres Zwecks, nämlich eine Orientierungshilfe primär für die Abgrenzung von nicht erheblichen „Bagatellfällen“ bei der stets erforderlichen Einzelfallentscheidung zu bieten, die gewünschte fachliche und rechtliche Anerkennung gefunden.

In zahlreichen weiteren Verfahren finden sich interessante Anwendungskontexte (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008, Az. 9 A 14.07, u.a. Rn. 64; BVerwG, Urt. v. 13.05.2009, Az. 9 A 73.07, u.a. Rn. 50; Niedersächsisches OVG, Urteil v. 10.11. 2008, Az. 7 KS 1/05, S. 26f.; Bay. VGH, Urt. v. 30.09.2009, Az. 8 A 05.40050, Rn. 61ff.; Bay. VG Regensburg, Urt. v. 22.02. 2010, Az.: RO 2 K 08.491, S. 44ff.; VG Dresden, Urt. v. 30.10.2008, Az. 3 K 923/ 04, S. 68f.).

Die Fachkonventionen werden inzwischen in etlichen Leitfäden, Erlassen oder anderen Regelwerken zur Anwendung empfohlen. Dazu zählt u.a. der Umweltleitfaden des Eisenbahnbundesamts (2010), die Verwaltungsvorschrift zum Habitatschutz in NRW (2010), der Leitfaden zur FFH-Verträglichkeit bei Küstenschutzmaßnahmen (MELUR & LKN-SH 2012) und der österreichische Leitfaden „Natura 2000 und Artenschutz“ – Empfehlungen für die Planungspraxis beim Bau von Verkehrsinfrastruktur (ASFiNAG 2011).

Da sie eine anerkannte Grundlage für die schwierige Frage der Quantifizierung von Bagatell-Verlusten bieten, wurden sie in den vergangenen Jahren auch in weiteren naturschutzfachlichen Bewertungskontexten herangezogen. So z.B. im Rahmen des auf einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben basierenden Bewertungsansatzes zur Bewertung von Alternativen im Zuge des europäischen Arten- und Gebietsschutzes (Simon et al. 2015), der Bewertung der Erheblichkeit von Biodiversitätsschäden im Rahmen der Umwelthaftung (Peters et al. 2015) und der Bewertung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen von Biotopen im Rahmen des gesetzlichen Biotopschutzes in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee (BfN 2015 bzw. Bernotat 2013).

Sie wurden darüber hinaus auch für andere Wirkprozesse und Wirkfaktoren über die Berücksichtigung gradueller Funktionsverluste erfolgreich angewandt. Dazu zählen beispielsweise die Bewertung der Erheblichkeit hochwasserschutzbedingter Gehölzrückschnitte von Weich­holz­auwäldern (Brahms et al. 2009), die Bewertung von Bodenfeuchte-Änderungen in Wäldern (Kelschebach & Klüver 2009), die Beeinträchtigung des LRT 91E0* durch Brückenbauwerke (Straub et al. 2013) und Vorhabentyp- und LRT-übergreifende Bewertungen unter Berücksichtigung der Erhaltungszustände (Kaiser 2009). Auch in den aktuell entwickelten Fachkonventionsvorschlag zur Bewertung von Stickstoffeinträgen in FFH-Lebensraumtypen (BMVBS 2013 sowie FGSV 2014) wurden die Fachkonventionen im Zusammenhang mit der Bewertung gradueller Funktionsverluste integriert.

Die Fachkonventionen sind somit seit Jahren in Wissenschaft, Rechtsprechung und Praxis anerkannt und erprobt. Sie finden in immer weiteren Kontexten bzw. Zusammenhängen Anwendung. Mit den Fachkonventionen ist die vom EuGH geforderte Aussagesicherheit bei Vorhaben, die unterhalb einer Bagatellgrenze des Flächenverlusts realisiert werden sollen und bei denen auch die anderen Bedingungen der Fachkonventionen (einschließlich eines Ergebnisses der Prüfung auch kumulativer Wirkungen) entsprechend zutreffen, gewährleistet. Vernünftige wissenschaftliche Zweifel daran wurden bisher nicht vorgebracht und sind auch dem Beitrag von Fretzer & Möckel nicht zu entnehmen.

6 Schlussfolgerung

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ausführungen von Fretzer & Möckel weder dazu geeignet sind, die BfN-Fachkon­ventionen von Lambrecht & Trautner (2007) in Frage zu stellen, noch einen alternativen Ansatz für die Bewertung der Erheblichkeit im Rahmen einer FFH-VP vorzuschlagen.

Ihre Aussage, dass bezogen auf das geprüfte Fallbeispiel, das als fiktives Anwendungsbeispiel im Rahmen des Berichts der BfN-Fachkonventionen erstellt worden war, „nach dem Ecopath-Ökosystemmodell erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen“, ist methodisch fragwürdig. Soweit das Modellergebnis überhaupt nachvollziehbar ist, erscheint es jedenfalls in Bezug auf die FFH-Prüfmaßstäbe fachinhaltlich und rechtlich unzutreffend.

Literatur

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MELUR (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume) & LKN-SH (Landesbetrieb für Küstenschutz Nationalpark und Meeresschutz Schleswig Holstein) (2012): FFH-Verträglichkeit bei Küstenschutzmaßnahmen – Handlungsempfehlungen. Kiel.

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Peters, W., Koukakis, G.-A., Jahns-Lüttmann, U., Lüttmann, J., Wulfert, K., Bernotat, D. (2015): Bewertung erheblicher Biodiversitätsschäden im Rahmen der Umwelthaftung. Ein Methodenvorschlag. Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (3), 77-85.

Plachter, H., Bernotat, D., Müssner, R., Riecken, U. (2002): Entwicklung und Festlegung von Methodenstandards im Naturschutz: Ergebnisse einer Pilotstudie; Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Fachliche und organisatorische Grundlagen für die Aufstellung anerkannter Standards für Methoden und Verfahren im Naturschutz und für die Einrichtung eines entsprechenden Expertengremiums“ (FKZ 808 01 135), Bonn, 566 S.

Simon, M., Runge, H., Schade, S., Bernotat, D. (2015): Bewertung von Alternativen im Rahmen der Ausnahmeprüfung nach europäischem Gebiets- und Artenschutzrecht. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des BfN, Marburg, Hannover, Leipzig, 221 S.

SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen, 2012): Umweltgutachten 2012 – Verantwortung in einer begrenzten Welt. Juni 2012, 422 S.

Storost, U. (2015): Erforderlichkeit von Fachkonventionen für die arten- und gebietsschutzrechtliche Prüfung aus verwaltungsrichterlicher Sicht. Umwelt- und Planungsrecht 35 (2), 47-49.

Straub, F., Trautner, J., Kockelke, K. (Bearb., 2013): Die Querung des FFH-Lebensraumtyps „Auwald“ (*91E0) durch Brückenbauwerke. Fachkonvention zur Beurteilung bestimmter indirekter Auswirkungen im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung in Baden-Württemberg. Regierungspräsidium Stuttgart (Auftragg.), Endbericht Juli 2012 mit ergänzender Vorbemerkung, Dezember 2013, 42 S.

Trautner, J., Bernotat, D. (2014): EuGH entscheidet zur Erheblichkeit von Beeinträchtigungen. Habitatschutz in irischem Natura-2000-Gebiet. Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (7), 226-228.

Wulfert, K., Lau, M., Widdig, T., Müller-Pfannenstiel, K., Mengel, A. (2015): Standardisierungspotenzial im Bereich der arten- und gebietsschutzrechtlichen Prüfung. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministe­riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­sicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz – FKZ 3512 82 2100, Herne, Leipzig, Marburg, Kassel, 467 S.

Anschriften der Verfasser(innen): Dirk Bernotat, Bundesamt für Naturschutz, FG II 4.2, Karl-Liebknecht-Straße 143, D-04277 Leipzig, E-Mail Dirk.Bernotat@bfn.de; Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, Johann-Strauß-Straße 22, D-70794 Filderstadt, E-Mail info@tier­oekologie.de; Dr. Stefan Balla, Bosch & Partner GmbH, Kirchhofstraße 2c, D-44623 Herne, E-Mail s.balla@boschpartner.de; Dr. Oliver Hendrischke, Bundesamt für Naturschutz, FG I 2.1, Konstantinstraße 110, D-53179 Bonn, E-Mail Oliver.Hendrischke@bfn.de; Matthias Herbert, Bundesamt für ­Naturschutz, II 4, Karl-Liebknecht-Straße 143, D-04277 Leipzig, E-Mail Matthias.Herbert@bfn.de; Prof. Dr. Thomas Kaiser, Arbeitsgruppe Land & Wasser, Am Amtshof 18, D-29355 Beedenbostel, E-Mail Kaiser-alw@t-online.de; Dr. Gunther Matthäus, Gruppe für ökologische Gutachten, Dreifelderstraße 31, D-70599 Stuttgart, E-Mail info@goeg.de; Klaus Müller-Pfannenstiel, Bosch & Partner GmbH, Kirchhofstraße 2c, D-44623 Herne, E-Mail k.mueller-pfannenstiel@boschpartner.de; Dr. Wolfgang Peters, Bosch & Partner GmbH, Kantstraße 63a, D-10627 Berlin, E-Mail w.peters@boschpartner.de; Holger Runge, Planungsgruppe Umwelt, Stiftstraße 12, D-30159 Hannover, E-Mail h.runge@planungsgruppe-umwelt.de; Dr. Helmut Schlumprecht, Büro für ökologische Studien GdbR, Oberkonnersreuther Straße 6a, D-95448 Bayreuth, E-Mail Helmut.Schlumprecht@bfoes.de; Matthias Simon, Simon & Widdig GbR, Büro für Landschaftsökologie, Luise-Berthold-Straße 24, D-35037 Marburg, E-Mail matthias.simon@simon-widdig.de; Dr. Axel Ssymank, Bundesamt für Naturschutz, FG II 2.2, Konstantinstraße 110, D-53179 Bonn, E-Mail Axel.Ssymank@bfn.de; Katrin Wulfert, Bosch & Partner GmbH, Kirchhofstraße 2c, D-44623 Herne, E-Mail k.wulfert @boschpartner.de.

Auf diese Replik antwortet die ange­spro­che­ne Erstautorin in einem Diskussions­beitrag „Modellierte Zukunft: Ecopath, Ecosim & Ecospace“ auf Seite 226.

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