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Bereitstellung einer landesweiten Planungsgrundlage für das Schutzgut Landschaftsbild in Baden-Württemberg

Ist die Schönheit der Landschaft ­berechenbar?

Abstracts

Der Beitrag stellt eine mögliche Herangehensweise an großflächige Bewertungen des Landschaftsbilds vor. Die auf verschiedenen Vorarbeiten basierende Methode wurde in einem Pilotprojekt erfolgreich erprobt und wird aktuell für das Bundesland Baden-Württemberg weiterentwickelt, damit dort ab Ende 2013 eine flächendeckende Grundlage für naturschutzfachliche Planungen bereitsteht.

Für eine Regressionsanalyse herangezogen wurden verschiedene Analyse der Landschaftsstruktur und als Referenzdatensatz die empirisch abgesicherten Fotobewertungen einer ­großen Zahl von typischen Landschaftsausschnitten. Mit den Ergebnissen der multivariablen Regressionsanalyse erfolgte anschließend die flächendeckende Modellierung der Landschaftsbildqualität.

Die Güte des Modells aus statistischer Sicht ist als gut einzuschätzen. Die Ergebniskarten erscheinen sowohl im regionalplanerischen Maßstab als auch kleinräumig plausibel. Bei einer kleinräumigen Betrachtung ist allerdings zu beachten, dass ortsspezifische Besonderheiten nicht im Modell abgebildet sind.

Eine besondere Relevanz hat das Schutzgut Landschaftsbild beim kommenden Ausbau der Windenergienutzung im relativ windschwachen Baden-Württemberg. Dort sind vor allem topo­graphisch exponierte Standorte wirtschaftlich interessant, diese sind jedoch besonders empfindlich gegen Eingriffe. Eine objektivierte Landschaftsbildbewertung als Grundlage der ­Abwägung erscheint hier besonders wichtig.

Can the Beauty of Landscape be Calculated? Provision of a state-wide planning base for the natural scenery in the Federal State of Baden-Württemberg

The paper presents a possible approach to a large-scale evaluation of the natural scenery. The method bases on different preparatory studies and has been successfully tested in a pilot study. The current application in Baden-Württemberg is intended to provide an area-wide base for planning projects in the context of nature conservation from the year 2013 onwards. Different analyses of the landscape structure have been used for a regression analysis, empirically based photographic evaluations of a large number of typical landscape sections served as reference data. The results of the multivariable regression analysis were the basis for the area-wide modeling of the quality of the natural scenery.

The quality of the model can easily be assessed from a statistical point of view. The maps depicting the results appear to be plausible both on a regional and on a local scale. However, the small-scale applications have to consider that the model does not necesssarily reflect site-specific characteristics.

The visual landscape as a natural resource has particular relevance for the forthcoming increase of the use of wind power. Because of the rather weak winds in the state of Baden Württemberg, topographically exposed sites have particular relevance and but are, at the same time, particularly sensitive to environmental impact. Against this background, an objective evaluation of the visual landscape serves the criterion for the subsequent balancing of the different interests.

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1 Einleitung

Die Schönheit der Landschaft erleben zu können, ist spätestens seit der Renaissance wichtig für die emo­tionale Verbindung des Menschen mit der ihn umgebenden Natur. Landschaftliche Schönheit wahr­zu­neh­men und zu bewahren, war lange Zeit sogar ein Hauptantrieb für alle Naturschutzbemühungen – so waren beispielsweise in der Wutachschlucht Wegebau und Unterschutzstellung eng miteinander verknüpft. Und auch heute dürfte es für die meisten Mitbürger der wichtigste Kontakt zur Natur sein, eine weit­gehend intakte Landschaft zu durchwandern, einen Spaziergang am Stadtrand zu machen oder schlicht vom Panoramaparkplatz aus in die Landschaft zu blicken.

Gleichzeitig müssen wir uns als Land­schafts­planer bewusst sein, dass es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten teilweise erstaunliche Erfolge beim Ge­wässer- und Artenschutz gab, während die visuelle Zerstörung weiter Teile unserer Kulturlandschaften anscheinend unaufhaltsam voranschreitet.

Im Bundesnaturschutzgesetz wird die Qualität des Landschaftsbildes über die Formulierung „Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft“ eingeführt. Interessant dabei ist, dass aus Sicht des Gesetzgebers das Landschaftsbild die gleiche Bedeutung hat wie beispielsweise die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts; die Aufzählung der Schutzgüter im § 1 drückt keine Rangfolge aus (Schumacher & Fischer-Hüftle 2011, 92). Neben dem Bundesnaturschutzgesetz fordern auch alle anderen für das Planen und Bauen in der Landschaft maßgeb­lichen Gesetze die Berücksichtigung des Landschaftsbildes.

Gleichwohl spielt dieses Schutzgut in Genehmigungsverfahren meist eine untergeordnete Rolle. Seit vielen Jahren wird in der Landschaftsplanung ein Mangel an praktikablen Analysemethoden für das Landschaftsbild beklagt. Viele bekannte Methoden sind sehr zeitaufwändig, große Flächen in der freien Landschaft mit dem Klemmbrett unter dem Arm zu bewerten, ist aus wirtschaftlichen Gründen häufig nicht machbar (zusammenfassend Roser 2011, 15). Zudem mangelt es den Methoden meist an Objektivität und Validität (Roth 2012, 1f.). In der Abwägung mit konkurrierenden Interessen feh­len deshalb häufig belastbare Planungsgrundlagen. Benötigt wird eine effiziente und valide Methode, mit der eine flächen­deckende Analyse als Planungsgrundlage verschiedener naturschutzfachlicher Planungen bereitgestellt werden kann.

Der Beitrag stellt die Methode und erste Ergebnisse einer landesweiten Landschaftsbildanalyse vor, die zukünftig als Grundlage für naturschutzfachliche Planungen einschließlich der Eingriffsregelung dienen kann und die dadurch dem Schutzgut Landschaftsbild ein Stück weit aus seinem planerischen Schatten­dasein heraushelfen könnte.

2 Methoden

Unter den verschiedenen zuletzt veröffentlichten Beiträgen zur Weiterentwicklung der Methoden der Land­schafts­bild­be­wer­tung (Roser 2011, 38ff.) erscheinen die Arbeiten von Roth & Gruehn (2010) besonders interessant. Sie kombinieren eine GIS-basierte Bearbeitung mit einer Validierung durch Nutzerbefragungen. An der Universität Stuttgart wurde aufbauend auf verschiedenen Vorarbeiten eine Vorgehensweise entwickelt (Roser 2011) und in einem Pilotprojekt für sechs Planungsregionen in Baden-Württemberg erprobt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts wird zwischenzeitlich die Bewertung auch für die weiteren Planungsregionen erarbeitet, so dass bis Ende 2013 ein landesweiter Datensatz vorliegen soll.

Den Ausgangspunkt bildete die Beobachtung, dass sich geübte Kartenleser beim Blick in eine topographische Karte ein Bild der Landschaft vorstellen und daraus Vermutungen über die visuelle Qualität der Landschaft ableiten können. Eine praktische Anwendung dieses Prinzips ist die Festlegung einer Wander­route in unbekanntem Gelände allein auf Grundlage des Kartenbildes. Auf dieser Beobachtung fußte die Annahme, dass Zusammenhänge zwischen den objektiven Karteninformationen und dem Land­schafts­­bild bestehen. Diese Zusammenhänge galt es herauszuarbeiten.

Die Vorgehensweise gliederte sich in folgende Schritte:

(1) Zunächst wurde die Landschaft im GIS auf unterschied­lichste Strukturmaße hin untersucht. In die Analyse aufgenommen wurden alle im flächendeckend verfügbaren ATKIS-Datensatz enthaltenen Landschaftselemente und -strukturen, bei denen ein Zusammenhang zur visuellen Wahrnehmung der Landschaft vorstellbar ist: beispielsweise Topographie, Land­nutzung, Hochspannungs­leitungen und Strukturierung durch Gehölzränder. Ergebnis dieses Arbeitsschrittes war eine große Anzahl unterschiedlicher Analysekarten zu Reliefenergie, Varianz der Landbedeckungsarten, Dichte der Hochspannungsleitungen und der Gehölz­ränder usw. Die Operationalisierung im GIS erfolgte mit Moving-Window-Analysen, bei denen entsprechend der menschlichen Wahrnehmung der Landschaft für jede einzelne Rasterzelle deren Um­gebung in die Analyse mit einbezogen wird.

(2) Im zweiten Schritt wurde eine Referenzbewertung aufgebaut. Dazu wurde zunächst eine große Zahl von baden-württembergischen Landschaften fotografiert. Das Ziel war nicht eine Sammlung von „Postkartenansichten“, sondern repräsentative und vorurteilsfreie Fotos der uns umgebenden Landschaft. Darin musste ein breites Spektrum an Landschafts­typen, -nutzungen und -elementen repräsentiert sein. Die gleichmäßige Verteilung in der Fläche war irrelevant, wichtig war vielmehr die neutrale und vergleichbare Darstellung. Alle Aufnahmen wurden deshalb nach entsprechenden Vorgaben des Bundesamts für Naturschutz angefertigt, d.h. Bildstandort, Brennweite, Jahreszeit, Witterung etc. müssen vergleichbar sein (Jessel et al 2003, 235ff.). Im Pilotprojekt wur­den 300 Landschaftsausschnitte als Referenzstandorte fotografisch dokumentiert.

(3) Wird das Schutzgut Landschaftsbild Gegenstand von Gerichtsverfahren, so wird der unbestimmte Rechts­begriff „Landschaftsbild“ in der Regel konkretisiert, indem die Bewertung durch sogenannte „gebildete, für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossene Durchschnittsbetrachter“ erfolgt (Schumacher & Fischer-Hüftle 2011, 98). Im Pilotprojekt für die sechs Regionalverbände wurde dieses Prinzip auf eine größere Zahl von „Durchschnittsbetrachtern“ übertragen. Dazu wurden die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der auf den Fotos erkennbaren Landschaftsausschnitte von etwa 400 Menschen bewertet. Anders als bei Roth & Gruehn (2010) wurde keine Online-Umfrage durch­geführt, vielmehr wurde durch die Regionalverbände zu insgesamt zwölf Präsentationen eingeladen. Dabei wurden die drei Akteursgruppen „Normalbürger“, Fachleute und Mandatsträger berück­sichtigt.

(4) Für jedes Bild lagen anschließend mindestens 40 Einzelbewertungen zu Vielfalt, Eigenart und Schönheit vor, aus denen jeweils das arithmetische Mittel errechnet werden konnte. Erstaunlich war dabei, wie nahe beieinander die Einzelbewertungen eines Bildes liegen und wie wenig Ausreißer erkennbar sind. Kontroll­untersuchungen mit einzelnen Referenzbildern, die mit anderen Personengruppen an anderen Orten durchgeführt wurden, brachten praktisch identische Ergebnisse. Dass auf der Bewertungsskala von 0…10 (sehr schlecht ... sehr gut) für viele Bilder Durchschnittswerte von unter 2 oder über 8 errechnet wurden, unter­stützte diesen Eindruck. So konnte frühere Untersuchungen bestätigt werden, nach denen es in unserer Gesellschaft offenbar ein ästhetisches Grundeinverständnis darüber gibt, wann ein Landschaftsbild hochwertig oder weniger hoch­wertig ist (Augenstein 2002, 224; vgl. Nohl 2001, 22). Als Ergebnis dieses Arbeitsschrittes lag ein Datensatz mit Landschaftsbildbewertungen von 300 Referenz­standorten vor, der eine intersubjetive Gültigkeit aufweist.

(5) Die Referenzdaten gingen als abhängige Variable in die folgende multi­variable Regressionsanalyse ein, die Ergebnisse der Geodatenanalyse des ersten Arbeitsschritts als unabhängige Variablen. Damit wurden Regressionsmodelle für Vielfalt, Eigenart und Schönheit bestimmt, die den Einfluss der verschiedenen oben beschriebenen Strukturparameter auf die Bildbewertungen benennen können.

3 Ergebnisse

Als für die Landschaftsbildqualität relevant ausgewählt und in das Regressionsmodell aufgenommen wur­den insbesondere folgende Einflussgrößen:

– Topographie (Reliefenergie),

– Oberflächengewässer,

– Gehölzflächen, Gehölzränder,

– Grünland, Feuchtgebiete, Streuobst, Weinbau,

– Hochspannungsleitungen

– Industrie- und Gewerbegebiete,

– Hauptstraßen (Fahrbahnbreite),

– Kleinteiligkeit (Randliniendichte),

– Nutzungsvielfalt (Varianz der Land­bedeckungsarten).

Die Modelle für Vielfalt, Eigenart und Schönheit differieren in der Zusammensetzung und Gewichtung der Einflussgrößen. Eine sachlogische Überprüfung als Beleg der Hypothese (Backhaus 2006, 47) und eine Plausibilitätsprüfung an der realen Landschaft (Weller 2009) wurden erfolgreich durchgeführt. Damit wurde der Gefahr entgegengetreten, dass auf multivariaten Analysen basierende Modelle leicht „an der Realität vorbei rechnen“ können.

Die statistische Güte von Regressionsmodellen drückt sich im Bestimmtheitsmaß aus, das bei Schönheit 0.64, bei Vielfalt 0.53 und Eigenart 0.58 beträgt. Die Korrelation zwischen der modellierten und der von den Teilnehmern bewerteten Landschaftsbildqualität aller Referenzstandorte erreicht 0.80 (Schönheit) bzw. 0.73 und 0.76 (Vielfalt und Eigenart). Als Beleg für die Homogenität des Daten­satzes und für die Validität können zu-dem die bei Guttmans Split-Half-Test erreichten Koeffizienten von 0.88 bzw. 0.82 und 0.85 herangezogen werden. Die ge­nannten Werte sind generell und im Vergleich mit anderen bisher bei Land­schafts­bild­bewertungs­methoden erreichten Wer­ten als sehr gut einzuschätzen (Roth 2012, 65ff.).

Mit den für die Referenzstandorte statistisch belegten Modellen wurden anschließend im GIS flächen­deckende Analysen der Landschaftsbildqualität erstellt – die Fotobewertungen der befragten Men­schen wurden sozusagen in die Fläche extrapoliert. Die Ergebnisse liegen in Form von Rasterkarten (Auflösung 100 x 100 m) vor, entsprechend der Referenzbewertung mit einem kontinuierlichen Wertebereich von 0 … 10.

Seit Anfang 2013 wird an einer landesweiten Planungsgrundlage gearbeitet. Um die Bearbeitungszeit für die Erhebung der landesweiten Referenzbewertung zu überbrücken, wurde als erster Schritt mit dem Regressionsmodell des Pilotprojekts das ganze Land analysiert („Beta-Version“).

Die Übersichtskarte stellt die hochwertigen Bereiche deutlich heraus. Gut erkennbar sind die Hochlagen des Schwarzwaldes und die von der Traufkante der Schwäbischen Alb geprägten Landschaften. Als be­sonders hochwertig sind auch die relativ ungestörten Täler der oberen Donau, von Jagst und Kocher, der Kaiserstuhl und eiszeitlich überformten Landschaften Oberschwabens ausgewiesen. Auch der Odenwald oder Kleinode wie die Höri oder das Große Lautertal sind erkennbar. Als weniger gut bewertet fallen vor allem die stark zersiedelten Landstriche entlang der großen Infrastrukturachsen auf (Abb. 1).

Auch bei kleinräumiger Betrachtung im Maßstab 1 : 50000 erscheinen die Ergebnisse insgesamt schlüssig und differenziert (Abb. 2). Da die Modellierung nicht jedes Detail und jede lokale Besonderheit abbilden kann, müssen die Ergebnisse auf dieser Maßstabsebene als Vor­bewertung betrachten werden, die Grundlage einer vertiefenden Vor-Ort-Bewertung sein kann. Zu beachten ist hierbei auch, dass die Analyse nur für den unbesiedelten Raum gilt.

4 Diskussion

Die Auswahl der Parameter in den Regressionsmodellen erscheint zunächst trivial und wenig überraschend. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass das Ergebnis die Modellierung der Präferenzen der „gebilde­ten, für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossene Durchschnitts­betrach­ter“ darstellt, erscheint die Auswahl in hohem Grad plausibel. Sie deckt sich mit der Ausgangsthese des erfahrungsbasierten Kartenlesens – wohl niemand wird aus ästhetischen Gründen einem Weg zwischen ausgeräumtem Acker und Gewerbegebiet den Vorzug geben vor einem Weg durch ein gewundenes Wiesen­tälchen. Entscheidend ist jedoch, dass durch die Modelle quantifizierbare Zusammenhänge zwischen objektiv messbaren Strukturparametern der Landschaft und der Qualität des Landschaftsbilds aufgezeigt werden, mit denen flächendeckende Planungsgrundlagen erarbeitet werden können.

Im Kartenbild sind die Ergebnisse für die sechs Planungsregionen sowohl bei kleinräumiger wie auch bei großräumiger Betrachtung überzeugend. In den Regionalverbänden wird seit 2012 damit gearbeitet. Auch das Kartenbild der vorläufigen landesweiten Modellierung ist insgesamt schlüssig, kleinere Unstimmigkeiten können mit der noch fehlenden Referenzierung in einem Teil des Landes erklärt werden.

Ein wichtiger Aspekt ist die für alle Projektbeteiligten überraschend große und positive Resonanz. Offen­bar löste die Einbeziehung einer großen Anzahl verschiedenster Akteure in die Arbeit an dieser Planungsgrund­lage das Gefühl des „Gehörtwerdens“ und der Akzeptanz bei Fachleuten und der Öffentlich­keit aus.

5 Weitere Schritte

Bis zum Herbst 2013 werden in den bisher nicht bearbeiteten Landesteilen Referenzbilder aufgenommen und nach dem bewährten Verfahren von weiteren „Durchschnittsbetrachtern“ bewertet. Anschließend werden mit aktualisierten Geodaten neue landesweite Modelle für die Landschaftsbildqualität errechnet.

Um die Eigenart der unterschiedlichen Landesteile noch stärker zu berücksichtigen, soll dabei auf die verschie­denen Großlandschaften der naturräumlichen Gliederung differenziert eingegangen werden.

Interessant im Zusammenhang mit den anstehenden Planungen für den Ausbau der Windenergienutzung ist eine Überlagerung der Landschaftsbildbewertung mit potenziellen Standorten von Windenergieanlagen. Auf den ersten Blick sind die Hochlagen überwiegend als landschaftlich hochwertig dargestellt. Die Überlagerung mit dem Potenzialatlas der LUBW (2013) zeigt jedoch, dass viele Bereiche mit hochwertigem Landschaftsbild offenbar aus anderen Gründen nicht für Windenergienutzung infrage kommen, beispielsweise weil dort Vogelschutzgebiete mit windenergieempfindlichen Vogelarten ausgewiesen sind.

Grenzt man mit einem allgemeingültigen statistischen Schwellenwert (Bewertung > arithmetisches Mittel + 1 Standardabweichung) die herausragenden Teilflächen ab, werden etwa 15 % der Landesfläche ausgewiesen. Diese Abgrenzung gibt Hinweise auf die landläufig als „Tafelsilber“ bezeichneten Land­schaften, in denen von einem „Landschaftsbild von herausragender Vielfalt, Eigenart und Schön­heit“ auszugehen ist. Denn nur in solchen Bereichen kann laut Windenergieerlass (Land Baden-Württemberg 2012) das Landschaftsbild in der Abwägung mit einer möglichen Windenergienutzung einen gewichtigen Belang darstellen (Land Baden-Württemberg 2012, Abs. 4.2.6). Tatsächlich liegt nur ein sehr kleiner Teil der im Potenzialatlas ausgewiesenen Potenzialflächen für Windenergienutzung in Bereichen mit mutmaß­lich herausragender Landschaftsbildqualität. Damit kann der Befürchtung entgegen getreten wer­den, dass durch eine Berücksichtigung des Landschaftsbildes umfangreiche Restriktionen zuungunsten der Energie­wende entstünden.

Vielmehr könnte die Landschaftsbildbewertung eine belastbare Argumentationshilfe sein, beispielsweise wenn über Konzentrationsflächen oder immissionsschutzrechtliche Einzelanträge für Windenergieanlagen an den Talrändern des Donaudurchbruchs entschieden werden müsste. Das gilt auch für die in Baden-Württemberg kontrovers dis­kutierte Thematik der Planung von Windenergiean­lagen in Landschaftsschutzgebieten.

6 Schlussbemerkungen

Für die landesweite Landschaftsbildanalyse gilt im Positiven wie im Negativen die Grundeigenschaft jeden Modells: Es stellt eine starke Vereinfachung der Wirklichkeit dar. Selbstverständlich kann mit der Methode die Komplexität der ästhetischen Landschaftswahrnehmung nur begrenzt abgebildet werden. Und selbst­verständlich ersetzt die landesweite Analyse als Planungsgrundlage nicht die planerische Bewertung.

Wichtig erscheint aber die Feststellung, dass die Methode und die Ergebnisse einen Fortschritt auf dem Weg zu einer objektiven, belastbaren und vom Arbeitsumfang her leistbaren Landschaftsbildbewertung darstellen, wie sie in verschiedenen naturschutzfachlichen Planungen dringend benötigt wird.

Die erhöhte Aufmerksamkeit, die das Schutzgut Landschaftsbild mit der Diskussion um die Energiewende in jüngerer Zeit erfährt, ist dabei von großer Bedeutung. Denn es lässt sich nicht verleugnen, dass das Landschaftsbild beim Ausbau der Windenergienutzung beeinträchtigt wird. Gleichzeitig lassen jedoch die von wirtschaftlichen Interessen geprägten Verteilungskämpfe um potenzielle Standorte auch die Ansprü­che an Planungssicherheit, Gerichtsfestigkeit und damit an die Validität der Methode wachsen.

Literatur

Augenstein, I. (2002): Die Ästhetik der Landschaft. Ein Bewertungsverfahren für die planerische Umweltvorsorge. Berliner Beiträge zur Ökologie 3, Weißensee, Berlin.

Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006): Mulitvariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. Springer, Berlin.

Jessel, B., Fischer-Hüftle, P., Jenny, D. (2003): Erarbeitung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg.

Land Baden-Württemberg (2012): Windenergieerlass Baden-Württemberg. Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Verkehr und In­frastruktur und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Vom 9. Mai 2012 – AZ.: 64-4583/404.

LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 2013): Poten­zialatlas Erneuerbare Energien. Wind-Potenzial. Internet http://www.potenzialatlas-bw.de, abgerufen am 21.05.2013.

Nohl, W. (2001): Landschaftsplanung. Ästhetische und rekreative Aspekte. Patzer, Hannover.

Peters, J., Torkler, F., Hempp, S., Hauswirth, M. (2009): Ist das Landschaftsbild „berechenbar”? Entwicklung einer GIS-gestützten Landschaftsbildanalyse für die Region Uckermark-Barnim als Grundlage für die Ausweisung von Windeignungsgebieten. Naturschutz und Landschaftsplanung 41 (1), 15-20.

Roser, F. (2011): Entwicklung einer Methode zur großflächigen rechnergestützten Analyse des landschaftsästhetischen Potenzials. Weißensee, Berlin.

Roth, M. (2012): Landschaftsbildbewertung in der Landschaftsplanung. Rhombos, Berlin.

–, Gruehn, D. (2010): Modellierung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft. Kritierien zur Bestimmung von Landschaftsbildqualitäten für große Räume. Naturschutz und Landschaftsplanung 42 (8), 115-120.

Schumacher, J., Fischer-Hüftle, P. (2011): Bundesnaturschutzgesetz. Kommentar. Kohlhammer, Stuttgart.

Weller, F. (2009): Bodenhaftung tut not. Zur Problematik landschaftsökologischer Regio­nalisierung mit Hilfe multivariat-statistischer Methoden. Die Erde 140 (2), 113-125

Anschrift des Verfassers: Dr.-Ing. Frank Roser, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, Universität Stuttgart, Keplerstraße 11, D-70174 Stuttgart, E-Mail frank.roser@ilpoe.uni-stuttgart.de.

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