Windenergie und Vogelschutz: Hoher Aufwand, vage Resultate
Progress ist da. Mit großen Erwartungen wurde der im November 2011 begonnenen Studie entgegengesehen, die zunächst vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, später durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde. Bereits im Januar 2016 waren spektakuläre Teilergebnisse durchgesickert. So berichtete die Süddeutsche Zeitung über populationsrelevante Auswirkungen des Windenergieausbaus auf den Mäusebussard, der bisher nur ausnahmsweise bei Planungen Berücksichtigung findet.
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Anspruch der Autoren ist es, „mit einer systematischen Untersuchung in mehreren Bundesländern in Norddeutschland repräsentative Daten der Kollisionsraten von Vögeln zu erhalten und hieraus grundlegende Aussagen und Empfehlungen zur Konfliktbeurteilung und Konfliktbewältigung im Zuge der Standortfindung des Windenergieausbaus abzuleiten. Das Projekt erweiterte bisherige Studien zu Vogelkollisionen an WEA und ermöglicht eine fundierte Folgenabschätzung des Ausbaus der Windenergienutzung in Deutschland.“
46 Windparks untersucht
Basis ist eine umfangreiche Suche nach Kollisionsopfern in Windparks (WP), die in Abschnitt 2 des Progress-Berichts dokumentiert wird. Dazu wurden von 2012 bis 2014 in 46 unterschiedlichen WP in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein insgesamt 55 Zählkampagnen mit je zwölf Terminen im einwöchigen Abstand durchgeführt, im Gelände 7672km abgelaufen und 291 Vögel gefunden, was pro Fund einen Streckenaufwand von ca. 27km ergibt. Eine Vorfestlegung auf ein bestimmtes Artenspektrum gab es nicht.
Abschnitt 3 behandelt umfänglich die Fehlerrate beim Finden der Kollisionsopfer. Dazu wurden 1208 Vögel ausgelegt und deren Wiederfundrate bestimmt. Für die weitere statistische Bearbeitung erfolgte eine Einschränkung der Daten auf definierte Bedingungen, was die Zahl der zu berücksichtigenden Totfunde auf 158 reduzierte. Die Aussage allerdings: „Damit sind für alle Arten repräsentative Aussagen zum Kollisionsrisiko von Vögeln der Offenlandschaft für Norddeutschland möglich“ kann schon wegen des jahreszeitlich stark eingeschränkten Untersuchungszeitraums und des nur wöchentlichen Kontrollintervalls nicht geteilt werden. Immerhin wird eingeräumt, dass das Ausmaß nur für wenige Arten quantifizierbar ist (Mäusebussard, Stockente, Ringeltaube sowie die Limikolen als Gruppe). Für den Mäusebussard und die vier Projekt-Bundesländer werden durch WEA jährliche Verluste von 7800 Vögeln abgeleitet. Für den größten Teil der im Untersuchungsraum vorkommenden Vogelarten gibt das Projekt Entwarnung hinsichtlich einer Bestandsgefährdung.
Abschnitt 4 wertet Daten zum Flugverhalten aus, die in 3545 Geländestunden erhoben wurden. Zentrales Ergebnis ist hier, dass „die Vogelflugaktivität alleine im Zuge der Planung von WP kein geeigneter Parameter für die Beurteilung des Kollisionsrisikos ist.“ Hier bietet das Projekt keine neuen Erkenntnisse, ebenso wenig wie die umfangreichen Ausführungen zu den Flughöhen.
Abschnitt 5 untersucht das sogenannte Band-Modell zur Abschätzung von Kollisionsopferzahlen mit dem Ergebnis, dass es aufgrund von „modellimmanenten Schwachstellen“ ungeeignet ist und zu einer drastischen Unterschätzung der tatsächlichen Verhältnisse führt. (Das Band-Modell kalkuliert aus dem Flugverhalten in einem Windpark, der Größe der Vögel und Anlagendaten das Kollisionsrisiko für Vögel.) Die Aussage in diesem Kapitel „Weiterhin verursacht der Großteil der WEA keine Todesfälle“ wird an anderer Stelle (S. 262) relativiert, weil „… an nahezu jedem WP-Standort mit Kollisionsopfern zu rechnen ist“.
Abschnitt 6 modelliert die Auswirkungen der festgestellten Mortalität auf Populationsebene mit dem oben angesprochenen Ergebnis zum Mäusebussard und vergleichbaren Aussagen für den Rotmilan. Dies stützt die für Brandenburg vorliegende Hochrechnung der Rotmilanverluste, der allerdings viel mehr Funde zugrunde liegen (Bellebaum et al. 2013). Diese Quelle wird im Bericht dahingehend zitiert, dass der derzeitige Ausbau der Windenergienutzung keinen generellen Bestandsrückgang durch Kollisionen bewirkt. Bellebaum et al. (2013) betonen aber, dass eine Populationsgefährdung bei weiterem (inzwischen erfolgtem) Ausbau der Windenergienutzung eintreten kann. „Es ist zu erwarten, dass bei fortgesetztem Ausbau diese kumulative Wirkung auch bei weiteren Arten eintreten kann“, so der Progress-Bericht.
Mindestabstände indirekt empfoheln
In Abschnitt 7 werden die Effekte von Habitatfaktoren für das Kollisionsrisiko untersucht: Nach dieser Analyse scheint die Variation der Kollisionsraten zwischen den WP durch die geprüften Variablen nicht erklärbar zu sein, oder es handelt sich bei den Kollisionen an WEA um weitgehend stochastische Ereignisse. Hier wie an anderen Stellen des Berichts werden die Probleme einer Prognose von Kollisionsrisiken vor Errichtung von WEA deutlich – ein indirektes Plädoyer für den Ansatz pauschaler Mindestabstände, wie durch die LAG VSW (2014) empfohlen und in vielen Bundesländern praktiziert.
Abschnitt 8 schließlich formuliert planungsbezogene Konsequenzen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos. „Pauschale Aussagen zum Eintreten eines signifikant erhöhten Kollisionsrisikos sind nur eingeschränkt möglich. Bei Brutvögeln können hierfür als erste Näherung Abstände zum Brutplatz herangezogen werden, innerhalb derer für bestimmte Arten mit erhöhter Flugaktivität bzw. mit besonders kollisionsgefährdeten Verhaltensweisen gerechnet werden muss.“ Genau dies ist der Ansatz, der mit dem Konzept von Mindestabständen verfolgt wird. Raumnutzungsanalysen sind keine Alternative – sie sind räumlich-zeitlich variabel und können nicht mehr Sicherheit bieten, da die erhobenen Daten nur eine Momentaufnahme darstellen und damit keine verlässliche Beurteilungsgrundlage für die gesamte Betriebsdauer eines geplanten WP – dies als Einschätzung direkt aus dem Projekt.
Als Ausweg aus dem Prognose-Dilemma schlagen die Autoren die Kombination mit einer „artenschutzrechtlichen Betriebsbegleitung“ für besonders betroffene Arten vor. Allerdings bleibt offen, wie und in welchen Fällen eine solche erfolgen soll. Als Kern dieses Ansatzes werden zumindest die drei Säulen Monitoring (Bestandsüberwachung), Schutzmaßnahmen und ggf. temporäre Betriebseinschränkungen genannt.
Will man die Ergebnisse von Progress nachvollziehen, stellt man fest, dass viele Eingangsdaten unvollständig dokumentiert sind. So ist die Lage der untersuchten WP nur sehr kleinmaßstäblichen Karten zu entnehmen, eine Zuordnung zu den verschlüsselten Angaben im Anhang fehlt. Sofern sich Standorte trotzdem identifizieren lassen, treten wie im Fall des Wybelsumer Polders westlich Emden neue Fragen auf: Dort stehen ca. 50 WEA dicht beieinander. Kein WP der Studie umfasst jedoch 50 Anlagen. Welche wurden ausgewählt? Ob auch Anlagen einbezogen waren, die unmittelbar neben den dortigen Feuchtgebieten stehen (siehe Luftbilder) und wie dann ggf. die Wasserfläche bzw. Röhrichtflächen abgesucht wurden, bleibt offen.
Keine genaue Funddokumentation
Eine genaue Dokumentation der 291 Funde wie in der Zentralen Funddatei (ZF) von Kollisionsopfern an WEA der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt in Brandenburg fehlt, eine räumliche und zeitliche Zuordnung der 55 Zählkampagnen ebenso. Hier bleibt nur zu glauben, dass deren räumlich-zeitliche Streuung und dementsprechend auch die Streuung der Funde ein repräsentatives Gesamtbild liefern. Welche Vogelarten in welcher Häufigkeit in den WP vorkommen, wäre ebenfalls eine wichtige Information gewesen, die den Antragsunterlagen zu den Vorhaben hätten entnommen werden können. Für den Rotmilan liegt nach dem aktuellen Brutvogelatlas etwa die Hälfte der untersuchten WPs außerhalb der Verbreitungsgrenzen, beim Seeadler sind es noch mehr, so dass für sie mit entsprechend reduzierten Fundzahlen zu rechnen war.
Soweit das Material dokumentiert ist, offenbaren sich Schwächen. Abb. 2.1 zeigt eine sehr ungleiche Verteilung der Zählkampagnen. Auf die Wintermonate und den Hochsommer, zusammen die Hälfte der Dekaden, entfallen nur etwa 6%. Die Gutachter räumen selber ein, dass damit bei einigen Arten wichtige Zeiträume fehlen könnten. Beim Goldregenpfeifer sind es im Frühjahr gerade einmal vier Zählkampagnen, die überdies keinerlei Funde erbrachten. Es fehlt auch weitgehend die Zeit der Getreideernte, in der die Opfer sichtbar werden, die in den Wochen davor kollidiert sind. Dies betrifft z.B. nach der ZF nicht wenige Rotmilanfunde.
Der auf den ersten Blick beeindruckende Untersuchungsaufwand deckt nur 33% der Fläche in den Suchkreisen ab (S. 96) und ist unterschiedlich auf das Anlagenumfeld verteilt: Ein vergleichsweise hoher Untersuchungsaufwand erfolgte in Distanzringen, in denen eher wenige Kollisionsopfer zu erwarten waren und umgekehrt. Ob Progress mit all diesen Unregelmäßigkeiten eine bessere Stichprobe als die in der ZF gezogen hat, bleibt deshalb fraglich. Dafür sprechen auch die Zahlen nicht. So liegt der Anteil an Singvögeln bei Progress niedriger als in der ZF! Wenn letztere durch Zufallsfunde dominiert würde, hätte gerade der Anteil großer und auffälliger Vögel höher sein müssen. Ähnliches sollte für das Verhältnis Vögel/Fledermäuse gelten, tatsächlich liegt es in der ZF aber bei etwa 1:1, bei Progress dagegen bei >20:1. Schließlich deckt ZF nach wie vor das gesamte bundesdeutsche Spektrum ab, während Progress auf Norddeutschland beschränkt ist. Diese räumliche Beschränkung erklärt z.T. auch, warum der Anteil an Möwen, Wat- und Entenvögeln höher ist als in der ZF.
Hochrechnung von kleinen Zahlen
Einen wichtigen Teil der Studie machen z.T. komplexe statistische Betrachtungen aus, die im Rahmen dieser Rezension nur in Ansätzen nachvollzogen worden sind. Sie dürften unverzichtbar sein angesichts des Umstandes, dass man es einerseits mit sehr kleinen Zahlen zu tun hat (beim Mäusebussard zwölf gewertete Funde, beim Rotmilan drei), von denen auf die Gesamtbestände in ganz Norddeutschland geschlossen wurde. Andererseits streut das Datenmaterial aufgrund räumlicher, zeitlicher und sonstiger Fundumstände stark. Vor diesem Hintergrund kommt eine selbstkritische Diskussion des Datenrahmens zu kurz.
Weiter wurde vereinfachend angenommen, dass bestimmte Vogelarten das ganze Jahr über einer konstanten Kollisionsrate unterliegen, andere nur über ein halbes Jahr. Der Phänologie der Arten wird das jedoch nicht gerecht und durch die Erfassungen auch nicht abgedeckt. Es sei auch ein Faktor „Betreiber“ angemerkt, deren Einverständnis vor den Untersuchungen eingeholt wurde. Wie groß mag der Fehler in der Datenbasis dadurch sein, dass während der Suchkampagnen noch andere um das Auffinden von Kollisionsopfern bemüht waren und dadurch z.B. nur fünf Mäusebussarde nicht in der Progress-Statistik enthalten sind? Es irritiert, dass auf Basis von drei gewerteten Rotmilanfunden aus zwei WP auf kollidierte Rotmilane in 27 WP geschlossen wird, von denen zwei vollständig außerhalb des Verbreitungsgebietes der Art liegen.
Schließlich: Den Autoren ist offenbar bei einer zentralen Eingangsgröße ein vermutlich durchgängig wirksamer Rechenfehler unterlaufen. Für die Hochrechnungen wurden die Funde des ersten der zwölf Begehungstermine ausgeklammert, weil hier die Liegezeit der Kollisionsopfer unbekannt ist. Trotzdem wird von zwölf Wochen Beprobungszeitraum ausgegangen, tatsächlich sind es so aber nur noch elf.
Jede Art kann Opfer sein
Was bleibt? Folgende Aspekte seien betont:
Neu ist, dass auch für Arten wie Mäusebussard erhebliche (und wohl noch unterschätzte) Betroffenheiten auf Populationsebene eingeräumt wurden, bestätigt wird auch die bereits von Bellebaum et al. (2013) ermittelte populationsrelevante Wirkung der Windkraftnutzung auf Rotmilane.
Der geringe Aussagewert von Raumnutzungsanalysen wird belegt, das sogenannte Band-Modell zur Ableitung von Kollisionsraten erweist sich einmal mehr als ungeeignet.
An nahezu jedem WP-Standort ist mit Kollisionsopfern zu rechnen, wobei grundsätzlich jede Vogelart kollidieren kann.
Überwiegend kollidieren häufige Arten ohne ausgeprägtes Meideverhalten, aber in Relation zur Bestandsgröße Greifvögel überproportional häufig.
Kollisionen an Land erfolgen anders als auf See vorrangig am Tage, auch bei Arten mit guten Flugeigenschaften.
Diese Ergebnisse bestätigen den bisherigen Kenntnisstand und ergeben sich auch aus der ZF, nach der allerdings Nachzieher, u.a. Goldhähnchen, ebenfalls hohe Fundzahlen aufweisen können. Der Anspruch jedoch, „grundlegende Aussagen und Empfehlungen zur Konfliktbeurteilung und Konfliktbewältigung im Zuge der Standortfindung des Windenergieausbaus abzuleiten“, wird in weiten Teilen nicht erfüllt. Denn auch nach dem Projekt mangelt es an einer validen Methode, das Kollisionsrisiko im Vorfeld der Errichtung eines WP belastbar zu prognostizieren, zumal es sich in der langen Laufzeit eines WP ändern kann.
Tötungsverbot gilt individuenbezogen
Geradezu ärgerlich ist der neuerliche Versuch im Kapitel „Planungsbezogene Konsequenzen …“, die rechtlichen Maßstäbe zu relativieren, deshalb sei nochmals klargestellt: Das Tötungsverbot für europäische Vogelarten – von Stockente bis Schreiadler – gilt individuenbezogen. Ist es für ein Individuum signifikant erhöht, löst dies den Verbotstatbestand des §44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG aus. Die Frage, ob ein erhöhtes Tötungsrisiko auch Rückwirkungen auf die betroffene Population hat, stellt sich erst im Rahmen eines Ausnahmeverfahrens. Leitfrage 2 („Kommen diese besonders kollisionsgefährdeten Arten im Bereich des Vorhabens in einer Häufigkeit vor, dass die Anzahl der potenziellen Opfer als nennenswert in Relation zur Bestandsgröße und zur natürlichen Mortalität bezeichnet werden kann?“) hat deshalb bei der Feststellung des Verbotstatbestands nichts zu suchen, ebenso wenig die populationsbiologischen Sensitivitätsindizes!
Es ist an der Zeit zur Kenntnis zu nehmen, dass man es bei der Errichtung und dem Betrieb von WEA regelmäßig mit artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen zu tun hat. Das hat den Verzicht auf ein Projekt zur Folge (z.B. beim Schreiadler) oder erfordert eine artenschutzrechtliche Ausnahme unter Ausschöpfung zumutbarer Vermeidungspotenziale (z.B. bei der Stockente). Befremdlich ist schließlich, dass in den Hinweisen zur Bestandserfassung Raumnutzungsanalysen empfohlen werden, deren fehlende Aussagekraft vorher festgestellt wurde.
Es gibt umfangreichere Studien
Nach dieser Erstanalyse überrascht die Wahrnehmung des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in seiner Pressemitteilung vom 13.07.2016: „Bisher in Öffentlichkeit und Medien verbreitete Zahlen zu Kollisionen von Vögeln stützten sich immer auf Zufallsfunde und wissenschaftlich nicht nachvollziehbare Hochrechnungen und Schätzungen. Erstmals liegt nun eine wissenschaftlich fundierte Analyse zur Frage der Kollision von Vögeln mit Windkraftanlagen vor.“ Es gab jedoch schon vorher eine Fülle von systematischen Studien mit teils deutlich höherer Kontrollintensität. Hier sei auf die Quellenangaben zum aktuellen Helgoländer Papier der LAG VSW (2014) ( http://www.lugv.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/vsw_dokwind_voegel.pdf ) und als herausragendes Beispiel auf Bellebaum et al. (2013) verwiesen, die auf Basis systematischer Untersuchungen, neuester wissenschaftlicher Methoden und unter Beteiligung renommierter Experten zu jährlichen Kollisionsverlusten von 320 Rotmilanen allein in Brandenburg kommen.
Auch am Stellenwert der ZF ändert sich nichts, denn Progress hat, anders als der BWE meint, gerade nicht zeigen können (s.o.), „dass die auf Zufallsfunden aufbauende zentrale Fundopferdatei der Vogelschutzwarte Brandenburg durch einen höheren Anteil auffälliger und damit leicht auffindbarer Arten zu falschen Schlussfolgerungen führt“. Auch die relativ geringen Korrekturfaktoren bei Progress sind nicht als rückwirkende Entwarnung im Hinblick auf frühere Studien interpretierbar. Im Progress-Bericht wird von einer pauschalen Übertragung der ermittelten Korrekturfaktoren auf andere Studien abgeraten (S. 264). Dass pauschale Abstandsradien in ihrer Wirksamkeit beschränkt sind, mag aus der Sicht des BWE wünschenswert sein, aus dem Progress-Bericht ist dies jedoch nicht plausibel ableitbar.
Schließlich kommt es in den Genehmigungsverfahren auf die individuenbezogene Abschätzung des Tötungsrisikos für alle kollisionsgefährdeten Vogelarten gleichermaßen an, welches ggf. durch Verzicht auf Anlagenstandorte, die Einhaltung von Mindestradien und im Falle eines Antrags auf eine artenschutzrechtliche Ausnahme durch Vermeidungsmaßnahmen in Form von Abschaltzeiten und darüber hinaus durch Maßnahmen zu bewältigen ist, die eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Populationen verhindern – sofern die zuständige Behörde einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nach Abwägung aller Belange zustimmen kann.
Literatur
Bellebaum, J., Korner-Nievergelt, F., Dürr, T., Mammen, U. (2013): Wind turbine fatalities approach a level of concern in a raptor population. J. Nat. Conserv. 21 (6), 394-400.
LAG VSW (Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (2014): Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015). Ber. Vogelschutz 51, 15-42. Download: http://www.vogelschutzwarten.de/downloads/lagvsw2015_abstand.pdf.
Grünkorn, T., J. Blew, T. Coppack, O. Krüger, G. Nehls, A. Potiek, M. Reichenbach, J. von Rönn, H. Timmermann & S. Weitekamp (2016): Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen (PROGRESS). Schlussbericht zum durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des 6. Energieforschungsprogrammes der Bundesregierung geförderten Verbundvorhaben PROGRESS, FKZ 0325300A-D.
Windenergie und Vogelschutz – Anmerkungen zur Progress-Studie
Von Matthias Schreiber, Torsten Langgemach und Tobias Dürr
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