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Alter Wein in neuen Schläuchen oder ein Impuls für die Landschaftsplanung?

Ökosystemdienstleistungen

Abstracts

Das Konzept der Ökosystemdienstleistungen beschreibt den Nutzen von ökologischen Systemen für die Menschen und wird auch in Deutschland zunehmend diskutiert. Bisher ist ungeklärt, wie das Konzept in den Theorie- und Methodenkanon der Landschaftsplanung einzuordnen ist. Ziel dieses Beitrags ist es, die Konzepte der Ökosystemdienstleistungen und der Landschaftsfunktionen miteinander zu vergleichen sowie mögliche Vorteile einer stärkeren Integration des Ökosystemdienstleistungs-Konzepts in die praktische Landschaftsplanung auszuloten.

Der Vergleich zeigt zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den Konzepten, beispielsweise in Bezug auf die angestrebten Ziele sowie die berücksichtigten Arten von Nutzen. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Methoden und der Rolle von ökonomischen Bewertungen.

Eine sinnvolle Integration des Ökosystemdienstleistungs-Konzepts in die Landschaftsplanung würde insbesondere in der Erweiterung um Ansätze zur Berücksichtigung von privaten Gütern, zur Bilanzierung von Leistungen und ökonomischen Bewertungen bestehen. Umgekehrt könnte Landschaftsplanung methodisch erheblich zur Umsetzung des Ökosystemdienstleistungs-Konzepts beitragen.

Ecosystem Services – Old Wine in New Bottles or an Incentive for German Landscape Planning?

The concept of ecosystem services describes the benefits of ecological systems for people, and has been receiving increasing attention, also in Germany. It has however not become clear how this concept could be integrated into the theories and methods of German landscape planning. The objective of this contribution is to compare the concepts of ecosystem services and landscape planning and to explore potential opportunities to integrate the concept of ecosystem services more strongly into practical landscape planning.

The comparison shows similarities concerning the objectives and the types of ecosystem services or landscape functions considered. Differences exist in the methods applied and in the role of economic valuation.

A sensible integration of the ecosystem services concept in landscape planning would in particular include a broadening of the planning scope to also incorporate private goods as well as an amendment of planning methods towards the quantification of services and their economic valuation. Vice versa, the practical implementation of the ecosystem services concept could benefit from incorporating insights from landscape planning methods.

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1 Einleitung

Das international vieldiskutierte Konzept der Ökosystemdienstleistungen (ÖSD) besteht darin, den Nutzen von ökologischen Systemen für die Menschen zu beschreiben. Ziel ist es dabei, vornehmlich durch die Darstellung des ökonomischen Wertes von ÖSD das öffentliche Bewusstsein zu schärfen und Beiträge zu einer langfristigen Sicherung des Dargebots an ÖSD zu leisten.

Wichtige Initiativen, die zur Popularität des Konzepts der ÖSD beitrugen, waren Arbeiten von Costanza et al. (1997) und anderen zur Klassifikation, Quantifizierung und Monetarisierung von Leistungen von Ökosystemen. Verstärkte Aufmerksamkeit erhielt das Konzept durch das Millennium Ecosystem Assessment (MA 2005), einer groß angelegten Studie, die erstmals einen globalen Überblick über den Zustand und Nutzen der Ökosysteme für den Menschen bot. In den folgenden Jahren stieg die Zahl an Publikationen enorm. Ein wichtiger Meilenstein war die 2010 erschienene TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, http://www.teebweb.org ), die darauf abzielte, den ökonomischen Wert von Leistungen der Biodiversität und Ökosysteme für die Politik besser erfassbar zu machen.

Im deutschsprachigen Raum liegen erst wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen zu ÖSD vor (beispielsweise Grunewald & Bastian 2010, Plieninger et al. 2010). Zugleich bestehen in Deutschland im Rahmen der Landschaftsplanung jahrzehntelange Erfahrungen in der Erfassung und Bewertung von Naturraumpotenzialen bzw. Landschaftsfunktionen – Konzepte, die sich mit dem der ÖSD überschneiden. Drei Probleme sind herauszuheben:

1. ÖSD sind ein Konzept mit einer großen Strahlkraft in der öffentlichen Debatte, da sie direkt auf den Nutzen für den Menschen verweisen. Das Konzept wird zunehmend auch in Deutschland diskutiert und gewinnt voraussichtlich durch die Erarbeitung der nationalen TEEB-Studie „Naturkapital Deutschland“ auch für die Planungspraxis weiter an Bedeutung. Bisher ungeklärt ist, inwiefern sich die Konzepte der ÖSD und der Landschaftsfunktionen unterscheiden und welche Beiträge die internationale Forschungsdebatte für die deutsche Landschaftsplanungspraxis leisten könnte.

2. Ein wichtiger Aspekt des ÖSD-Konzepts sind ökonomische Bewertungen. In der Landschaftsplanung wurde dieser Ansatz vor Jahrzehnten als wenig zielführend eingeschätzt und – bis auf wenige Ausnahmen – nicht weiter verfolgt. Unklar ist, ob die Argumente vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in der Praxis neu bewertet werden müssen.

3. Wenn Naturschutz und Landschaftsplanung in der aktuellen Debatte nicht abgehängt werden wollen, besteht dringender Bedarf nach der Klärung von Begrifflichkeiten und Konzepten sowie der kritischen Diskussion von Ansätzen zur Integration von Methoden der ökonomischen Bewertung in bestehende Planungssysteme.

Ziel dieses Artikels ist es, die Konzepte der ÖSD und der Landschaftsfunktionen zu vergleichen sowie mögliche Vorteile einer stärkeren Integration des ÖSD-Ansatzes in die praktische Landschaftsplanung auszuloten. Dazu werden folgende Fragen behandelt:

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen den Begriffen und Konzepten der ÖSD und der Landschaftsfunktionen?

Wie können die etablierten Methoden zur Bewertung von Landschaftsfunktionen weiterentwickelt werden, um das Ökosystemdienstleistungs-Konzept bzw. Ansätze zu Quantifizierung und ökonomischer Bewertung des Dargebots von ÖSD in die Landschaftsplanung zu integrieren?

Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt auf der praxisbezogenen Darstellung des Themas. Ein ausführlicher Überblick findet sich in von Haaren & Albert (2011).

2 Vorgehen

Zuerst wird das Konzept der ÖSD dem in der Landschaftsplanung etablierten Verfahren der Analyse von Landschaftsfunktionen gegenübergestellt. Folgende Aspekte werden verglichen: (a) der Hintergrund, (b) die Ziele, (c) die betrachteten Güter, (d) die Definitionen sowie (e) Vorgehensweisen und Methoden. Im Anschluss wird diskutiert, ob und wie die Methoden zur Bewertung von Landschaftsfunktionen weiterentwickelt werden sollten, um Ansätze des ÖSD-Konzepts in die Landschaftsplanung zu integrieren.

Methodisch basiert der Artikel auf einer Literaturanalyse. Hinsichtlich des ÖSD-Begriffs bezieht sich der Artikel auf die TEEB-Studie (2010b) und Überblicksdarstellungen (u.a. de Groot et al. 2010, Fisher et al. 2009) sowie ausgewählte Klassiker (v.a. MA 2005). Die Darstellung von Ansätzen der Landschaftsplanung bezieht sich auf das deutsche Planungssystem sowie wissenschaftliche Publikationen (u.a. Bastian & Schreiber 1994, Haber 1971, Heiland 1999, von Haaren 2004).

3 Gemeinsamkeiten und ­Unterschiede

Ein Vergleich der Konzepte der ÖSD und der Landschaftsfunktionen zeigt eine Vielzahl von Übereinstimmungen sowie einige Unterschiede (vgl. Tab. 1).

3.1 Ähnlicher Hintergrund

Beide Konzepte verfolgen einen anthropozentrischen Ansatz, indem sie den Nutzen von Natur und Landschaft für den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Im ÖSD-Konzept wird direkt eine Verbindung zwischen den Leistungen von Ökosystemen und dem menschlichen Wohlergehen hergestellt (MA 2005). Das Konzept der Landschaftsfunktion nimmt Bezug auf diejenigen Güter und Leistungen von ­Natur und Landschaft, für die aus bestehenden Gesetzen (in Deutschland insbesondere dem Naturschutzgesetz) gesellschaftliche Ansprüche abgeleitet werden können.

Die Entstehung beider Konzepte kann auf Arbeiten zum Naturraumpotenzial­ansatz zurückgeführt werden. Bereits in den 1950er Jahren erarbeiten Bobeck & Schmidthüsen (1949) das Konzept der „naturgegebenen Entwicklungsmöglichkeiten“. Darauf aufbauend wurden in der damaligen DDR die Ansätze des gesamtwirtschaftlichen Potenzials (Neef 1966) und der partiellen Naturraumpotenziale entwickelt (Haase 1978). Vermutlich in Kenntnis des Naturraumpotenzial-Ansatzes konzipierten van der Maarel und Kollegen in den Niederlanden ein globalökologisches Modell, welches später von de Groot (1992) und Arbeitsgruppen in den USA (beispielsweise Daily 1997) zum ÖSD-Konzept weiterentwickelt wurde. Auf Basis des Naturraumpotenzialansatzes setzte sich in der westdeutschen Landschaftsplanung seit den 1980er Jahren zunehmend der Begriff der Landschaftsfunktion durch (beispielsweise Langer et al. 1985). Diese Bezeichnung hatte sich als vorteilhaft für die Kommunikation mit politischen Entscheidungsträgern erwiesen.

3.2 Ähnliche Ziele

Auch in Bezug auf die Ziele des Einsatzes des ÖSD- und des Landschaftsfunktions-Konzepts finden sich große Übereinstimmungen. Beide Konzepte verfolgen die generellen Ziele, Umweltentscheidungen zu unterstützen, zum Umweltbewusstsein beizutragen und dafür Natur und Landschaft in Wert zu setzen (s. dazu in anderen Worten das BNatSchG und UIG). Die Ziele des ÖSD-Konzepts umfassen die Verbesserung von Wissen über die Leistungen der Natur, die Unterstützung umweltbewusster Entscheidungen und die Förderung von Gerechtigkeit und menschlichem Wohlbefinden (Fisher et al. 2009, MA 2005).

Ein Unterschied besteht darin, dass sich das ÖSD-Konzept mehr auf die Schaffung von Grundlagenwissen über Ökosysteme konzentriert. Landschaftsplanung zielt dagegen primär darauf ab, aus bestehenden Datengrundlagen das potenzielle und derzeitige Dargebot an Landschaftsfunktionen zu identifizieren, mögliche Entwicklungsziele und -strategien zu entwickeln und Maßnahmen für deren Umsetzung vorzuschlagen. Landschaftsplanung steht damit an der Schnittstelle zwischen Naturwissenschaften und politischen Entscheidungen.

3.3 Ähnliche betrachtete Güter

In der Literatur zu ÖSD findet sich eine Reihe unterschiedlicher Klassifizierungsansätze. Das MA (2005) differenziert 30 ÖSD und ordnet sie in vier Gruppen: Basisleistungen, Versorgungsleistungen, Regulationsleistungen und kulturellen Leistungen. Ob Basisleistungen wie Bodenbildung und Photosynthese als ÖSD bezeichnet werden sollen, wird noch diskutiert (s. von Haaren & Albert 2011). Alternativ wird vorgeschlagen, den Begriff der Dienstleistungen nur auf die direkten Beiträge zu menschlichem Wohlbefinden anzuwenden. Auch in den TEEB-Studien bleibt diese konzeptionelle Unklarheit in Form der Gruppe „Lebensgemeinschaften/Unterstützende Dienstleistungen“ weiterhin bestehen.

In §1 Abs. 1 des BNatSchG (2010) sind drei Zieldimensionen verankert, die den Werthintergrund für die Werte und Funktionen (Landschaftsfunktionen) bilden, die in der Landschaftsplanung erfasst werden (vgl. Mengel 2011). Diese Landschaftsfunktionen entsprechen in weiten Teilen den im ÖSD-Konzept betrachteten Funktionen und Dienstleistungen (s. Tab. 2). Die hier gegenübergestellten Landschaftsfunktionen und ÖSD sind jedoch nicht identisch: Inhaltlich konzentriert sich die Landschaftsplanung auf solche Werte und Funktionen, die am Markt unberücksichtigt bleiben. So wird beispielsweise das natürliche Ertragspotenzial einer Landschaft erfasst, nicht jedoch die erzielbaren Produktionsumfänge an Nahrungsmitteln. Darüber hinaus werden Basisleistungen (wie Bodenbildung und Erosionsvermeidung) als vorgeschaltete Ökosystemprozesse definiert, die abhängig von der jeweils betrachteten Funktion sowohl als Vorteil (z.B. für die natürliche Ertragsfähigkeit) wie auch als Nachteil (z.B. für Habitate auf Pionierstandorten) interpretiert werden können.

3.4 Unterschiede in den Definitionen

Landschaftsfunktionen beinhalten nach gängiger Auffassung die derzeitige und potenzielle Leistungsfähigkeit der Landschaft zur nachhaltigen Erfüllung menschlicher Ansprüche an den Naturhaushalt und an das Landschaftserleben. Die Ansprüche umfassen sowohl die Erhaltung des Naturerbes auch für künftige Generationen als auch immaterielle Bedürfnisse wie die Lebensqualität und den Wunsch nach Biodiversität (von Haaren 2004). Landschaftsfunktionen sind damit ein normativer Begriff, der sich auf das Ziel der Sicherung von Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im Bundesnaturschutzgesetz bezieht.

ÖSD werden in der wissenschaftlichen Diskussion bisher nicht einheitlich definiert (de Groot et al. 2010, Fisher et al. 2009). Ältere Veröffentlichungen (beispielsweise Daily 1997) betrachten ÖSD als Bedingungen und Prozesse zur Gewährleistung menschlichen Lebens. Das Millenium Ecosystem Assessment dagegen versteht ÖSD als Vorteil oder Nutzen (benefits) von ökologischen Systemen für die Menschen (MA 2005). Die aktuelle TEEB-Studie (2010b) wiederum definiert ÖSD als „direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen“.

Entsprechungen und Unterschiede zwischen den verwendeten Begriffen lassen sich anhand von Abb. 1 erläutern. Die Grafik basiert im Wesentlichen auf dem von Haines-Young & Potschin (2010) entwickelten Kaskaden-Konzept, welches auch in der TEEB-Studie (2010a) Verwendung fand und sich in der internationalen Debatte aktuell durchzusetzen scheint. Das Konzept differenziert zwischen ÖSD und den Nutzen und Werten für das menschliche Wohlbefinden (de Groot et al. 2010). ÖSD werden danach durch Ökosystemfunktionen erbracht, die auf das Vorhandensein bestimmter biophysikalischer Prozesse und Strukturen angewiesen sind (entsprechend unterstützende Dienstleistungen im MA). Ökosystemfunktionen sind dabei normativ verstanden als diejenige Untergruppe von biophysikalischen Prozessen und Strukturen, die Dienstleistungen erbringen. Werden ÖSD tatsächlich genutzt, so stiften sie Nutzen (beispielsweise Ernährung, Gesundheit und Vergnügen). Dieser Nutzen kann (ökonomisch) bewertet werden.

Im Kaskadenkonzept lassen sich Landschaftsfunktionen zum Teil mit Funktionen sowie zum Teil mit Dienstleistungen gleichsetzen, je nachdem, ob sie als Funktionsfähigkeit oder Leistung verstanden werden. Manche Landschaftsfunktionen wie beispielsweise die Grundwasserdargebotsfunktion beschreiben die Funktionsfähigkeit einer Landschaft, um bestimmten Nutzen zu erbringen, jedoch nicht die Menge an produzierten Leistungen (in diesem Fall die Menge an gefördertem Trinkwasser). Andere Landschaftsfunktionen, beispielsweise die Biodiversitätsfunktion, bilden dagegen die (für den Menschen relevante) Leistung ab. Landschaftsfunktionen sind also unterschiedlichen Stufen des Kaskadenkonzepts zuzuordnen; der Nutzen wird häufig nicht oder nur ansatzweise umrissen, der Wert wird i.d.R. gar nicht abgebildet. Zudem betrachten Landschaftsfunktionen nur diejenigen Aspekte der Landschaft, die in den kommerziellen Märkten unberücksichtigt bleiben und daher durch öffentliche Planung abgedeckt werden müssen (von Haaren 2004, von Haaren et al. 2007).

3.5 Unterschiede bei Methoden und Bewertungsgrundlagen

In der Landschaftsplanung wird die Wahl der Methoden zur Untersuchung von Landschaftsfunktionen an die Zielsetzungen und vorhandenen Datengrundlagen angepasst. Die Sachinformationen werden entweder quantitativ erfasst (auf Kardinalskalen) oder qualitativ beschrieben. Verschieden Maßstabsebenen werden bei der Bewertung der Landschaftsfunktionen und der Anpassung von Maßnahmenvorschlägen an ebenenspezifische Verantwortlichkeiten berücksichtigt. Die Bewertung des Zustandes von Landschaftsfunktionen berücksichtigt sowohl ihren aktuellen Wert als auch Empfindlichkeiten gegenüber Belastungen, tatsächliche Beeinträchtigungen sowie Entwicklungspotenziale. Bei der Beschreibung und Bewertung kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Indikatoren zum Einsatz. Bewertungsgrundlagen liefern politisch legitimierte Gesetze (insbesondere BNatSchG). Ökonomische Bewertungen kommen selten zum Einsatz. Der Umfang von Partizipation wird in der Landschaftsplanung durch die Kompetenzen der Akteure bedingt. Dabei wird auf rechtlich legitimierte Standards Bezug genommen, was auf der jeweiligen politischen Ebene entschieden werden kann.

Ansätze zur Analyse von ÖSD umfassen sowohl Methoden zum Messen von Prozessen in Ökosystemen als auch zur Beurteilung ihres Wertes. Grundlageninformationen liefert die quantitative Messung von Ökosystemprozessen in Anlehnung an die Methoden der Funktionsanalyse. Unterschieden wird zwischen Gebieten mit Angebot und Nachfrage von ÖSD, die zumeist nicht identisch sind (Fisher et al. 2009). Ökonomische Bewertungen sind oft ein zentrales Element und Ziel (z.B. TEEB 2010a). Als Indikatoren verwenden zahlreiche raumkonkrete Untersuchungen ausschließlich die Landnutzung (Burkhard et al. 2009, Naidoo et al. 2006). Diese Herangehensweise mag auf nationaler und internationaler Ebene hinreichend sein. Sie stößt jedoch an Grenzen auf der lokalen Ebene, die für die Beeinflussung von Landnutzungsentscheidungen von besonderer Bedeutung ist.

Der Schwerpunkt bisheriger Untersuchungen zu ÖSD lag auf der globalen bis nationalen Ebene (beispielsweise Costanza et al. 1997, Kienast et al. 2009, MA 2005). Zunehmend wird aber auch die regionale und lokale Ebene als möglicher Anwendungs- und Entscheidungskontext diskutiert. Die Rolle von Partizipation wird bisher nur ansatzweise betrachtet. In TEEB (2010c) wird vorgeschlagen, die Auswahl und Bewertung von ÖSD u.a. durch lokale Akteure durchzuführen. Dies steht im Gegensatz zur Landschaftsplanung, wo Bewertungen zuerst aus legitimierten Gesetzen abgeleitet werden. Die Rolle von rechtlichen Regelungen, legitimierten gesellschaftlichen Prozessen oder politischen Entscheidungen bei der Konzeption und Analyse von ÖSD wird in der Literatur nicht erwähnt.

4 Diskussion und ­Schlussfolgerungen

Die vorliegende Untersuchung hat viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den Konzepten der ÖSD und der Landschaftsfunktionen identifiziert. Daraus lassen sich Ansatzpunkte für eine stärkere Integration der beiden Ansätze ableiten sowie Vor- und Nachteile einer Ergänzung der Landschaftsplanung diskutieren.

Gemeinsamkeiten zwischen den Konzepten bestehen hinsichtlich des ähnlichen konzeptionellen Hintergrunds, der Ziele sowie der großen Überschneidungen bei den berücksichtigten Dienstleistungen bzw. Funktionen von Natur und Landschaft. Folgende bedeutende Unterschiede können festgestellt werden.

ÖSD wurden bisher primär für hohe Entscheidungsebenen (global, national) ermittelt und für Entscheidungen in stark aggregierten Bilanzen und ökonomisch ausgedrückten Ergebnissen dargestellt. Hier liegen auch die methodischen Stärken des Ansatzes.

Landschaftsplanung beschäftigt sich ausschließlich mit solchen (i.d.R. öffentlichen) Dienstleitungen und Gütern, die am Markt unzureichend oder nicht unberücksichtigt werden und für die deshalb ein staatlicher Vorsorgeauftrag besteht. Das ÖSD-Konzept dagegen umfasst auch private Güter (wie Nahrungsmittel).

Partizipation von Stakeholdern bei der Auswahl der betrachten Leistungen, der Bewertung und Zielfestlegung kommt im ÖSD-Ansatz bisher weit weniger differenziert zum Einsatz als in der Landschaftsplanung, die immer den Unterschied zwischen Gemeinwohl und Einzelinteressen beachten muss.

Ein wichtiger Bestandteil der Abschätzung von ÖSD sind zumeist quantifizierte Abschätzungen und ökonomische Bewertungen. Die Landschaftsplanung arbeitet dagegen überwiegend mit Bewertungen auf ordinalen Skalen, die sich für die Entscheidungsunterstützung zu Landnutzungen auf lokaler und regionaler Ebene als ausreichend erwiesen haben.

Aufgrund der großen Überschneidungen könnte die Landschaftsplanung (als in Deutschland eingeführtes Instrument) auf den unteren Planungsebenen zu einer Trägerin des ÖSD-Ansatzes werden. Auf den oberen Ebenen kann sie ihn bei der Integration von Umweltzielen in gesamtwirtschaftliche Berechnungen sowie Ökobilanzen unterstützten. In Hinblick auf diese beiden Einsatzfelder wäre allerdings die Landschaftsplanung auf der lokalen und regionalen Ebene zu ergänzen und weiterzuentwickeln.

Eine Integration des ÖSD-Konzepts in die Landschaftsplanung würde bedeuten, das Dargebot an Dienstleistungen der Landschaft stärker quantitativ zu bilanzieren und ggf. ökonomisch zu bewerten. Das könnte zu folgenden Nachteilen führen:

Fehlt eine sorgfältige Differenzierung zwischen den Landschaftsfunktionen im staatlichen Zuständigkeitsbereich und Marktgütern in der Planung, so wird die Abgrenzung von Zuständigkeiten für die Umsetzung und Finanzierung schwierig.

Ökonomische Bewertungen bergen das Risiko, nicht genutzte Leistungen unter ihrer Bedeutung für das Wohlergehen der Gesellschaft zu bewerten. Auch stellt sich die Frage, ob in der Zukunft liegender Nutzen von Leistungen angemessen berücksichtigt wird. Werden Bürger mit ökonomischen Werten für Biodiversität und landschaftliche Schönheit konfrontiert, so könnte sich eine Ernüchterung einstellen. Darüber hinaus könnten bei der Nutzung ökonomischer Ansätze Werte der Natur gegeneinander und gegen kommerzielle Marktwerte ausgespielt werden (Prinzip der schwachen Nachhaltigkeit). Um dies zu verhindern, muss zwischen indisponiblen und disponiblen Zielen unterschieden werden (von Haaren 2004).

Quantifizierungen und ökonomische Bewertungen von ÖSD basieren zwangsläufig auf einer größeren Zahl von Annahmen und komplizierteren Verfahren als Bewertungen von Landschaftsfunktionen auf ordinalen Skalen. Eine große Herausforderung besteht daher darin, diese Methoden transparent zu kommunizieren, um partizipative Verfahren zu ermöglichen. Öffentliche Diskussionen über die Angemessenheit genannter ökonomischer Werte könnten von den eigentlichen planungsrelevanten Fragen ablenken. Die Kommunikation von Unsicherheiten könnte diesem Risiko entgegensteuern.

Trotz der angesprochenen Herausforderungen birgt eine Integration des ÖSD-Konzepts in die Landschaftsplanung große Chancen. Die ökonomische Bewertung von Leistungen von Natur und Landschaft könnte wichtige zusätzliche Argumente für die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung von Landschaften schaffen. Eine Berücksichtigung (ausgewählter) marktfähiger Güter könnte die Bildung von Allianzen mit Landnutzern unterstützen, indem Synergien zwischen der Bereitstellung von Landschaftsfunktionen und einer Vermarktung der in der gleichen Landschaft erzeugten Güter aufgezeigt werden.

Ebenfalls könnte die Argumentationskraft der Landschaftsplanung verbessert werden, wenn nicht nur potenzielle Verminderungen von naturschutzrelevanten Landschaftsfunktionen aufgezeigt, sondern auch zusätzliche Produktions­potenziale für Marktgüter dargestellt würden.

Mögliche Einsatzgebiete für Bilanzierungen könnte die Planung und Erfolgskontrolle von quantitativen Umweltzielen sein (beispielsweise dem Flächenverbrauchsziel der Bundesregierung). Nicht zuletzt wäre der Bilanzierungsansatz in hohem Maße geeignet, politische Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Als Nebeneffekt würden Bewertungen, die auf der Verbreitung bzw. Knappheit von Funktionen beruhen (z.B. der Biotopbewertung), besser unterfüttert werden.

Die insgesamt notwendige Weiterentwicklung der Terminologie der Landschaftsplanung und ihrer Methoden würde u.a. folgende Punkte umfassen:

Zur begrifflichen Klärung müsste – analog zu den „Dienstleistungen“ aus dem ÖSD-Kontext – eine Bezeichnung eingeführt werden, die zwischen den Landschaftsfunktionen und den Nutzenstiftungen für die Menschen steht. Der Begriff der ÖSD hat sich zwar in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion etabliert, könnte jedoch für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Zusammenarbeit mit lokalen Entscheidungsträgern und Betroffenen schwierig sein, da viele Menschen sich wenig unter Ökosystemen vorstellen können. Grunewald & Bastian (2010) und andere schlagen den Begriff ‚Landschaftsleistungen‘ als Synonym für ÖSD vor. Dieser Begriff hat den Vorteil eines klaren Raumbezugs. Gleichzeitig scheint er aufgrund der Einbeziehung von menschlichen Einflüssen für den Einsatz in der praktischen Planung geeignet.

Eine Ergänzung der Analyse von Landschaftsfunktionen um quantitative Abschätzungen ist anzustreben, um eine nützliche Informationsbasis für ökonomische Bewertungen zu schaffen. Dafür sind bestehende Indikatoren und Bewertungsmethoden dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie – auf der Basis vorhandener empirischer Daten – Schätzwerte für die quantitative Bereitstellung von Landschaftsleistungen pro Hektar und Zeiteinheit liefern. Für bestimmte Landschaftsfunktionen bestehen bereits Zuordnungsregeln zwischen kardinalen Messwerten und den ordinalen Skalenstufen (beispielsweise in von Haaren et al. 2011). Bei anderen Landschaftsfunktionen wie dem Landschaftsbild stellen quantitative Bewertungen eine größere Herausforderung dar. Hier könnten standardisierte Punktesysteme erarbeitet werden. Erfahrungen mit Methoden zur Bestimmung von Ersatzgeld im Rahmen der Eingriffsregelung oder bei der Berechnung von Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten für Landschaftspflegemaßnahmen (Albert et al. 2008) könnten praxistaugliche Hinweise liefern.

Bezüglich der Möglichkeiten, Grenzen und erfolgsversprechender Einsatzgebiete ökonomischer Bewertungen, insbesondere von nicht (vollständig) über den Markt abgebildeten Leistungen von Natur und Landschaft, sollte eine fachpolitische Diskussion eröffnet werden. Auf Basis bestehender Erfahrungen (beispielsweise aus der Eingriffsregelung) und in enger Zusammenarbeit mit Ökonomen sind Anknüpfungspunkte für ökonomische Bewertungen zu entwickeln und in der Praxis zu testen.

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Anschriften der Verfasser: Dr. Christian Albert, Prof. Dr. Christina von Haaren und Carolin Galler, Institut für Umweltplanung, Leibniz Universität Hannover, Herrenhäuser Straße 2, D-30419 Hannover, E-Mail albert@umwelt.uni-hannover.de .

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