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Kurz Berichtet

Wie kollisionsgefährdet sind Uhus an Windenergieanlagen?

Schaut man in die Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Planung und Zulassung von Windenergieanlagen in Lebensräumen des Uhus (Bubo bubo) angefertigt werden, stößt man nicht selten auf Darstellungen wie, der Uhu sei ein „Pirsch- oder Ansitzjäger“, die Jagdflüge fänden nahe über der Erdoberfläche statt und Uhus würden deswegen kaum in die Reichweite der Rotoren der heute üblichen Anlagen gelangen. Die mit Windenergieanlagen für Uhus verbundenen Kollisionsrisiken seien gemessen an den Maßstäben des §44 des Bundesnaturschutzgesetzes grundsätzlich sozialadäquat und keineswegs signifikant erhöht.

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Abb. 1: Matthias Müller mit Windenergieopfer Uhu; Ostern 2014.     	Foto: Andreas Walz
Abb. 1: Matthias Müller mit Windenergieopfer Uhu; Ostern 2014. Foto: Andreas Walz
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Von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen

Die Geselllschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) hält diese Annahmen für fragwürdig. Tatsächlich unternehmen Uhus durchaus Jagdflüge in Rotorhöhe. Das gilt erst recht für Balz- und Distanzflüge. So steht auch außer Frage, dass Uhus am Nachthimmel ziehende Vögel oder im Kronendach der Bäume übernachtende Vögel schlagen. Im Übrigen belegen die bekanntgewordenen Todfunde, dass Uhus an Windenergieanlagen – auch solchen heutiger Anlagenhöhen – ums Leben kommen. In der Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg „Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland“ waren mit Stand 04.04.2014 insgesamt 15 getötete Uhus aufgeführt. Zwei weitere Fundmeldungen sind in der Kartei (noch) nicht berücksichtigt, so dass sich die Zahl auf 17 erhöht.

Diese Todfunde sind Zufallsfunde. Eine systematische Suche nach Schlagopfern findet praktisch nirgends statt. Bei der Bewertung von Zufallsfunden muss berücksichtigt werden, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Kollisionsopfern überhaupt gefunden und gemeldet wird. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der geringen Wahrscheinlichkeit des Auffindens und in der geringen Verweildauer der Opfer unter den Anlagen. Aus den (wenigen) vorliegenden systematischen Untersuchungen ist bekannt, dass Kolli­sionsopfer sehr schnell und regelmäßig vor allem von Prädatoren bzw. Aasfressern, aber auch durch Menschen, beseitigt werden. Die realen Opferzahlen sind daher wesentlich höher als die Fundzahlen. Registriert werden zumeist nur beringte Vögel. Die Zahl der beringten Uhus dürfte aber nur einen sehr geringen Teil der Population ausmachen.

Vergleich Rotmilan/Uhu

Die besondere Gefahrensituation für Uhus an Windenergieanlagen verdeutlicht der Vergleich mit der Situation für den Rotmilan (Milvus milvus): Dass der Ausbau der Windenergiewirtschaft in Deutschland im besonderen Maße Rotmilane gefährdet, steht außer Frage. Die Gefahr für Uhus wird hingegen unterschätzt. Berücksichtigt man die Zahl der in Deutschland lebenden Uhupaare und den Umstand, dass Windenergieanlagen in den von Uhus vor allem besiedelten Mittelgebirgen derzeit noch weniger verbreitet sind als im Flachland, erweist sich das Kollisionsrisiko der beiden Arten als ähnlich hoch. So wurden in den Mittelgebirgs-Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen je fünf (insgesamt 15) Uhus als Kollisionsopfer registriert. Ihnen stehen in Rheinland-Pfalz sieben, in Nordrhein-Westfalen und Thüringen je 17 (insgesamt 41) an Windenergieanlagen getötete Rotmilane gegenüber. Dabei ist der Rotmilanbestand in diesen Bundesländern etwa dreimal höher als der des Uhus. Daran gemessen ist die Zahl der an Windenergieanlagen getöteten Uhus überpropor­tional hoch. Die Gefahrenlage ist insofern für Uhus eine vollständig andere, als von vielen Gutachtern der Windenergiewirtschaft dargestellt wird.

Pars pro toto: aktueller Fall aus Rheinland-Pfalz

Die Risiken belegen beispielsweise drei Todesfälle von Uhus innerhalb von nur drei Jahren in einem Windpark im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler: Ein Uhu wurde dort 2012 tot gefunden. Im selben Jahr verschwand aus der nächstgelegenen Brut ein Jungvogel in der Bettelflugphase, ohne dass dessen Verbleib aufgeklärt werden konnte (Breuer & Brücher 2013). Im April 2014 verunglückte erneut ein Uhu an einer der Anlagen (s. Abb.1). Der Vogel war 2007 als Jungvogel beringt worden. Der Finder teilte der EGE mit, 2012 in diesem Windpark bereits einen jungen Uhu als Kollisionsopfer gefunden zu haben. Hierbei handelt es sich möglicherweise um den 2012 vermissten Jungvogel. Dieser ist in der Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg nicht enthalten.

Im Zulassungsverfahren für diese Anlagen war gegen den dringenden Rat der EGE ein signifikant gesteigertes Tötungsrisiko für Uhus nicht anerkannt worden. Als Begründung wurde der intensive Getreide- und Maisanbau im Bereich der Anlagenstandorte angeführt. Uhus würden dieses Areal kaum nutzen und könnten dort deshalb auch nicht so leicht verunglücken. Der Fall zeigt auch, dass die Bestrebungen, die Flächen im Bereich der Anlagen so zu gestalten oder zu bewirtschaften, dass sie für Uhus unattraktiv sind, kaum die konfliktmindernde Wirkung entfalten, die ihnen häufig zugeschrieben wird. Der Anlagenbetreiber wurde verpflichtet, einen Hektar Acker zu Brache zu entwickeln. Die Brache, so wurde angenommen, würde die Uhus zusätzlich von Flügen in den gefährlichen Rotorbereich abhalten. Das ist eine der Vorkehrungen, mit denen die lebensgefährlichen Eingriffe in Vogellebensräume häufig beschönigt und schließlich genehmigt werden.

Trotz dieser Befundlage und eines anzunehmenden signifikant gesteigerten Tötungsrisikos soll der Windpark um eine weitere Anlage erweitert werden. Tatsächlich kann ein solches Tötungsrisiko für die geplante Anlage nicht ausgeschlossen werden. Die EGE hält ein solches Risiko mit Blick auf die Lage der Brutplätze und die Raumbeschaffenheit an dem fraglichen Standort vielmehr für wahrscheinlich. So liegt der Anlagenstandort weniger als 1000 m von zwei Uhubrutplätzen entfernt.

Bei einem Abstand einer Windenergieanlage von weniger als 1000 m zu einem Uhubrutplatz ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung die Vermutung gerechtfertigt, dass der Anlagenbetrieb gegen das Tötungsverbot des §44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG verstößt. Zwar ist die konkrete Raumnutzung durch den Uhu zu betrachten, die die ge­nannte Vermutung widerlegen kann. Im vorliegenden Fall sind aber keine solchen Anhaltspunkte erkennbar. In die Prüfung wäre im Übrigen bei Berücksichtigung der Abstandsempfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW in Vorber.) ein Abstand von 3000 m um den Brutplatz als Prüfbereich einzubeziehen, in welchem insbesondere die wichtigen Nahrungshabitate und Flugwege zu ermitteln und ggf. von Anlagen freizuhalten wären. Die Abstandsempfehlungen der LAG-VSW von 2007 sahen einen Prüfbereich von 6000 m vor.

Die EGE hatte die zuständigen Behörden schon vor Jahren gebeten, ein zeitlich befristetes Abschalten der hier bestehenden Windenergieanlagen in den Nachtstunden wenigstens während der Bettelflugphase der jungen Uhus festzulegen. Jetzt, nach dem dritten Todesfall in kurzer Zeit, hat die EGE sich erneut an die Behörden gewandt und mit Bezug auf das Umweltschadensrecht sowie §44 BNatSchG schadensverhütende Maßnahmen gefordert.

Empfehlung

Die Anzahl der belegten Todfunde ist zu gering, um daraus weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen oder die Welt der Uhus zu erklären. Stattdessen sollten die Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten beachtet werden. Das heißt, in einem Umkreis von 1000 m um einen Uhubrutplatz sollen keine Windenergieanlagen zugelassen werden. Im Umkreis weiterer 2000 m sollten die wichtigsten Nahrungshabitate sowie die Flugwege zwischen diesen und dem Brutplatz ebenfalls freigehalten werden.

Diese Prüfung setzt Raumnutzungsanalysen voraus. Diese beziehen sich auf die Prüfbereiche, welche über den Mindestabstand von 1000 m hinausgehen. Raumnutzungsanalysen kämen insoweit sinnvollerweise ins Spiel, wenn bei Ausschluss des 1000-m-Umfeldes im Bereich bis 3000 m um Uhubrutplätze Anlagen errichtet werden sollen.

Auf konkrete Beobachtungen gestützte Raumnutzungsanalysen sind wegen der nächtlichen Aktivität von Uhus aber nur schwer möglich. Die Anzahl der erreichbaren Sichtbeobachtungen dürfte für verlässliche Aussagen zu gering sein. Telemetrische Untersuchungen sind sehr aufwendig, artenschutzrechtlich nicht problemlos und kommen daher in der Regel nicht in Frage. Zudem kann sich mit einer wechselnden Bewirtschaftung oder einer aus anderen Gründen veränderten Nahrungssituation im nächsten Jahr die Raumnutzung deutlich anders darstellen, weshalb die Bedeutung von ein-saisonalen Raumnutzungsanalysen nicht überschätzt werden sollte. Insofern sollten die in Frage kommenden Nahrungshabitate für Windenergieanlagen unter Plausibilitätsgesichtspunkten abgegrenzt und vorsorglich nicht in Anspruch genommen werden. Dazu zählen offene und halboffene Bereiche sowie Bereiche entlang von Grenz­linien wie Gehölzsäume, Wasserläufe und Gräben. In diesem Zusammenhang kommt Grünlandstandorten eine besondere Bedeutung zu. Unter Vorsorgegesichtspunkten sollten solche Bereiche im Umkreis von 3000 m um Uhubrutplätze generell von Windenergieanlagen freibleiben.

Literatur

Breuer, W., Brücher, S. (2013): Uhu und Windenergieanlangen – Der 13. tote Uhu. Eulen-Rundblick 63, 62-63.

Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogel­schutzwarten (2007): Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten. Ber. Vogelschutz 44,151-153: 188-189.

– (in Vorb.): Fachkonvention „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogel­arten“.

Anschrift der Verfasser: EGE – Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V., Breitestraße 6, D-53902 Bad Müns­tereifel, E-Mail egeeulen@t-online.de.

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